Wattenscheid. Direkt am Radschnellweg I kann der alte Güterbahnhof Wattenscheid wieder belebt werden. Antrag auf Denkmalschutz ist in der Diskussion.
Noch sind nur vereinzelt Radfahrer auf dem niegelnagelneuen Asphalt zu sehen, dazu kraxeln ein paar Gassigänger auf die alte Bahntrasse. Der Radschnellweg I nimmt hier mitten auf der Grenze zwischen Bochum/Wattenscheid und Gelsenkirchen/Ückendorf Gestalt an. Eine Lücke klafft in seinem Band exakt an der alten Eisenbahnbrücke über die Ückendorfer Straße, denn die soll auch noch generalüberholt werden. Das ehemalige Eingangsgebäude des alten Güterbahnhofs dagegen verschwindet fast hinter Efeu. Zeit, dass es aus diesem Dornröschenschlaf erwacht. Statt "niedergelegt", sprich: abgerissen, zu werden.
Denn das ist eins der Signale, das der umtriebige Heimatbund Gelsenkirchen gewittert hat. Mit einer Reaktivierung der Flächen und einem Konzept, hier Wohnquartiere anzusiedeln, haben sich die Bezirksvertretungen auf Wattenscheider und Gelsenkirchener Seite bereits vor gut zwei Jahren befasst. Die BEG, Bahnflächen-Entwicklungs-Gesellschaft NRW mbH, eine Tochter von Land Nordrhein-Westfalen und Deutsche Bahn AG, bietet dazu Unterstützung zur Aktivierung von Bauland an ehemaligen Bahntrassen.
Lange kein Bahnbetrieb zwischen Gelsenkirchen und Bochum
Auch hier ist seit 2009 bereits kein Zug mehr langgestampft, die Strecke liegt seit der Entwidmung Anfang 2020 brach, wird von der Natur bereits zurückerobert. Nach akribischer Recherche in den städtischen Adressbüchern hat der Heimatbund entdeckt, dass eine gastronomische Nutzung bis mindestens 1961 nachzuweisen ist, bis mindestens 1974 eine Wohnnutzung durch Bahnangestellte. Schon 1867 ging die Strecke und damit das Empfangsgebäude in Betrieb.
Um es zu erhalten, regt er daher dringend bei der Unteren Denkmalbehörde dringlich die "Unterschutzstellung des historischen Personenbahnhofsgebäudes Gelsenkirchen-Wattenscheid, Am Bahnhof 2" an. Denn offenbar scheint es der verwaltung im Rahmen der Flächenentwicklung nicht erhaltungswürdig. Das Bebbaungsplanverfahren auf der Stadtgrenze und auch in zwei größeren Abschnitten in GE-Ückendorf und WAT-Günnigfeld entsteht gerade.
Radstation und Gastro denkbar
Die BEG beschreibt: "Die Güterbahnhofsflächen („Güterbahnhof Gelsenkirchen-Wattenscheid“) bilden ein Baulandpotenzial von insgesamt rund 17 Hektar in zentraler Lage, die bestens geeignet erscheinen, dem stark wachsenden Wohnraumbedarf Rechnung zu tragen. Noch dazu liegt das Areal direkt am Radschnellweg Ruhr (RS1), der auf einer Länge von circa 100 Kilometern zwischen Hamm und Duisburg die Kernstädte des Ruhrgebietes miteinander verbinden wird. Bau.Land.Partner unterstützt das Projekt durch die Abstimmung mit und die Einbindung von weiteren privaten Grundstückseigentümern mit dem Ziel, mehrere Erschließungsoptionen zu sichern."
Mit Blick auf die Lage und die Perspektiven aus der neuen Nutzung hofft der Heimatbund, dass sich für das historische Gebäude ebenfalls neue Möglichkeiten ergebe. Eine Radstation und eine Gastronomie würden sich geradezu anbieten. Unterstützung findet die Denkmal-Anregung bei den Grünen in der Bezirksvertretung GE-Süd.
Womöglich ältestes seiner Art
"Bei den meisten Personenbahnhöfen des Ruhrgebiets wurden anfangs lediglich Holzbaracken errichtet, die erst später durch gemauerte Gebäude ersetzt wurden. Im vorliegenden Fall hingegen wurde das Bahnhofsgebäude bereits gleich zu Beginn der Aufnahme des Personenverkehrs im Jahr 1868 in massiver Mauerbauweise errichtet. Wir vermuten, dass es sich bei dem Gebäude um das älteste erhaltene Bahnhofsgebäude Gelsenkirchens und Wattenscheids handelt", schildert Volker Bruckmann, Vorsitzender des Heimatbundes.
Auch unter dem Blickpunkt der Verkehrswende sehen der Verein, die Grünen und die Bürgerinitiative "Regio-Tram Ruhr" Potenzial. Denn auch die Idee einer Regio-Tram, die parallel zum RS 1 zwischen Bochum-Hauptbahnhof über Günnigfeld und Ückendorf bis zur Uni Essen verkehren könnte, wird diskutiert. Eine Ost-West-Verbindung dieser Art fehlt für den ÖPNV.
Info:
Durch den Radschnellweg, die über die Ückendorfer Straße im 7,5-Minuten-Takt verkehrende Straßenbahnline 302 und eine Regio-Tram über die Strecke der Rheinischen Bahn würde ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt entstehen, der mit dem Bahnhofsgebäude noch aufgewertet würde.
Auch die Industriekultur hat hier Ankerpunkte mit dem Fördergerüst über Schacht 4 der ehemaligen Großzeche Holland, dem Doppel-Malakowturm, der Himmelsleiter auf der Halde Rheinelbe und der bereits als Denkmal geschützten Brücke an der Ückendorfer Straße/Watermannsweg.