Coesfeld. Nach Hunderten Corona-Fällen im Coesfelder-Werk von Westfleisch gibt es immer mehr Kritik an dem Unternehmen. Wer wusste wann Bescheid?
Seit wann wussten die Behörden von Kreis und Land von den steigenden Infektionszahlen und den Bedingungen beim Unternehmen Westfleisch? Mit dieser Frage wird sich der Gesundheitsausschuss am Mittwoch im NRW-Landtag beschäftigen.
„Erste Hinweise vor wenigen Tagen“
Die SPD hatte das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Partei, Josef Naumann, hatte in einer Pressemitteilung in den Raum geworfen, dass die Behörden seit Mitte März über erste Infektionsfälle informiert gewesen sein sollen. Die Pressestelle des Kreises Coesfeld hatte erstmals vor einer Woche, also am 4. Mai, über massive Neu-Infektionen in Zusammenhang mit der Firma Westfleisch berichtet. Damals hatte es 51 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gegeben. Das Gesundheitsamt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits im Umfeld des Unternehmens mit erweiterten Testungen begonnen.
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„Die ersten Überprüfungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus-Ausbruch hatten am 29. April 2020 stattgefunden“, erklärt der Kreis am Montag in einer Pressemitteilung. Seit der vorletzten Woche betreibe das Kreisgesundheitsamt seine aktive Fallsuche, die letzten Donnerstag auf sämtliche Beschäftigte des Betriebes ausgeweitet wurde. Während die Fälle im Kreis ansonsten sehr moderat steigen, sind in Zusammenhang mit Westfleisch inzwischen 254 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden, wie der Kreis am Montag mitteilt. Inzwischen seien 1008 Abstriche genommen worden, das bedeutet, nahezu alle Mitarbeiter sind getestet worden. 512 Tests waren negativ, die restlichen Testergebnisse stehen noch aus.
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Westfleisch ist noch bis Ende der Woche geschlossen
Wann Westfleisch genau klar wurde, dass vermehrt Infektionen im Betrieb aufgetreten sind, auf diese Frage antwortet das Unternehmen nicht. Unternehmenssprecher Philipp Ley verweist stattdessen darauf, dass Westfleisch bereits Anfang des Jahres eine Pandemie-Sonderkommission eingerichtet und schon vor Wochen Maßnahmen ergriffen habe, um Mitarbeiter zu schützen. Zudem befolge man alle Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.
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„Eine wichtige Rolle spielen zudem zusätzliche Hygienestationen und wiederkehrende und mehrsprachige Hinweise auf die Bedeutung von Hygiene- und Verhaltensmaßnahmen – im betrieblichen und privaten Umfeld“, so Ley. Gerade Letzteres sei noch einmal intensiviert worden. Das Unternehmen war in den vergangenen Tagen vor allen Dingen für die Unterbringung der Mitarbeiter in zu engen Räumen mit zu vielen Personen kritisiert worden.
Kein korrektes Tragen der Mund-Nasen-Masken
Westfleisch hatte am Freitag auf Anordnung des Kreises Coesfeld vorübergehend schließen müssen. Diese Schließung gilt bis einschließlich 18. Mai, also bis Anfang nächster Woche. Das Unternehmen hatte die Anordnung schriftlich in der Nacht von Freitag auf Samstag erhalten, wie der Kreis mitteilt. Einen Eilantrag des Unternehmens gegen die kurzfristige Schließung hatte das Verwaltungsgericht Münster abgelehnt. Das Amt für Arbeitsschutz habe bei einer Überprüfung am 8. Mai festgestellt, dass es sowohl im Bereich des Zerlegebandes als auch in den Umkleiden Probleme gebe, den Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten, hieß es unter anderem in der Begründung des Gerichts.
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Die Mund-Nasen-Schutzmasken würden am Zerlegeband nicht korrekt getragen. Die Firma sei nicht in der Lage gewesen, Infektionsschwerpunkte zu benennen. Nach der Ablehnung, „arbeiten wir weiterhin mit allen relevanten Behörden in Stadt, Kreis und Land zusammen, um ein möglichst rasches Wiederanfahren des Betriebes zu erreichen“, so Westfleisch-Sprecher Ley.
Kreis hatte als erste in NRW den neuen Grenzwert von 50 erreicht
Die vorübergehende Schließung des Unternehmens fiel mit der Ankündigung des Landes zusammen, dass Lockerungen für den gesamten Kreis Coesfeld um eine Woche verschoben werden müssen. Der Kreis hatte an diesen Tag den neuen Corona-Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche überschritten. An diesem Montag wurde der Grenzwert bereits fast um das doppelte überschritten.
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Zuvor hatte es am Donnerstag bereits Irritationen gegeben, weil es zunächst nach einem Gespräch zwischen Kreis und Westfleisch geheißen hatte, das Unternehmen würde wegen der vielen Coronafälle schließen. Einige Stunden später erklärte Westfleisch, doch noch weiter arbeiten zu wollen. Der Kreis hatte das Unternehmen mit dem Verweis auf seine Systemrelevanz zunächst nicht geschlossen.
Finanzielle Verantwortung für Westfleisch
Der Bundestagsabgeordnete für den Kreis Coesfeld/Steinfurt II, Marc Henrichmann (CDU), kritisierte Westfleisch scharf und forderte Konsequenzen: Westfleisch sei zwar systemrelevant, „doch das ist kein Freibrief, um bei den Schutzmaßnahmen gegen eine Corona-Ausbreitung zu schludern“, so der CDU-Politiker. Das Landgericht Münster habe in seinem Urteil die Versäumnisse des Unternehmens bestätigt, unter denen nun alle Menschen im Kreis leiden müssten, so Henrichmann. Ihm stelle sich die Frage, ob hier nicht der Verursacher auch finanzielle Verantwortung übernehmen müsse.
Immerhin habe Westfleisch für 2019 einen Rekordumsatz gemeldet und dabei mehr als zehn Millionen Euro Jahresüberschuss erwirtschaftet. Auch erwarte er, dass das Unternehmen den Landwirten dabei hilft, ihre Tiere an andere Schlachthöfe ausliefern zu können.
Dieser Artikel erschien zuerst bei den Ruhrnachrichten.