Nach Bekanntwerden von Corona-Fällen am Bochumer Schlachthof, richtet sich der Fokus auf die Lage der Beschäftigten. Es gibt viel Kritik.

Nach den Corona-Fällen im Bochumer Schlachthof mit seinen rund 360 Beschäftigten mehren sich Stimmen, die sich äußerst kritisch mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter dort auseinandersetzen. Rund 240 Arbeiter sind über sogenannte Werkverträge angestellt. Gegenüber unserer Redaktion äußerte sich Mohamed Boudih, NRW-Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). „Wir sehen, dass immer mehr Unternehmer diese Werkverträge missbrauchen.“ Oft würden Arbeitszeiten nicht vernünftig erfasst oder die Unterkünfte entsprächen nicht einmal den Mindestanforderungen.herne- schlachthof-mitarbeiter ende april positiv getestet

Etliche Mitarbeiter leben nach Informationen der WAZ in Gebäuden direkt auf dem Gelände des Schlachthofes. Dort waren Hygienemängel festgestellt worden.
Etliche Mitarbeiter leben nach Informationen der WAZ in Gebäuden direkt auf dem Gelände des Schlachthofes. Dort waren Hygienemängel festgestellt worden. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Gewerkschaft bekommtkaum einen Fuß in die Tür

NGG Gewerkschaftssekretär Andreas Singendonk schildert, dass es äußerst schwierig sei, in großen fleischverarbeitenden Betrieben als Gewerkschaft einen Fuß in die Tür zu bekommen. Häufig gebe es noch nicht einmal einen Betriebsrat. Mohamed Boudih: „Bei diesen Werkverträgen ist es so, dass in der Regel nicht der Schlachtbetrieb selbst Ansprechpartner ist, sondern ein Subunternehmer, etwa in Rumänien.“ Die Gewerkschaft fordert jetzt, dass die Auftraggeber, die Fleischunternehmen selbst, mit in die Haftung zu nehmen seien.

Dabei laufe das Geschäft stets über den Preis. 2,29 Euro für ein Pfund Rinderhack: Mit solchen Preisen werben Discounter auch in Bochum. Dabei müsste, so die NGG, die Corona-Krise die Herstellung von Fleisch und Wurst eigentlich teurer machen. „Bei der Schlachtung herrscht ein knallharter Dumping-Wettbewerb – besonders zum Start der Grillsaison. Wohin dieser Preiskampf führen kann, zeigen die jüngsten Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen“, sagt Adnan Kandemir von der NGG. Die Gewerkschaft begrüßt, dass die NRW-Landesregierung nun alle Fleisch-Beschäftigten auf Corona testen und die Sammelunterkünfte durch die Gesundheitsämter kontrollieren lassen will.

Bernd Kruse ist Obermeister der Fleischerinnung. Die Abhängigkeit vom Bochumer Schlachthof sei gering.
Bernd Kruse ist Obermeister der Fleischerinnung. Die Abhängigkeit vom Bochumer Schlachthof sei gering. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die in der Fleischerinnung Ruhr organisierten 13 familiär geführten Bochumer Metzgereien, hinzu kommen weitere zwölf Mitgliedsbetriebe aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, sehen keine großen Abhängigkeiten mehr vom Bochumer Schlachthof. Obermeister der Innung Bernd Kruse, mit acht Filialen der größte Bochumer Familienbetrieb: „Wir beziehen nur in Ausnahmen Fleisch von dort. Für die anderen Betriebe kann ich da aber nicht sprechen.“

Die Geschäftsstelle der Innung befindet sich direkt auf dem Gelände des Schlachthofes. Doch Berührungspunkte gebe es heute so gut wie keine mehr, sagt Geschäftsführer Uwe Absch. „Selbst ein kompletter Ausfall des Schlachthofes würde unsere Betriebe kaum treffen. Da gibt es heute so viele andere Anbieter.“ Das habe vor zehn, 15 Jahren noch völlig anders ausgesehen.

Gleichzeitig habe die Corona-Krise für das örtliche Fleischerhandwerk durchaus Folgen – u.a. weil sich das Kaufverhalten ändere.

Unterdessen ist die Situation im Schlachthof unverändert. Weiterhin ruhe die Schweineschlachtung, Rinder würden aber weiterhin geschlachtet. Zur Frage nach einer vorsorglichen völligen Schließung teilt die Willms Fleisch GmbH mit: „Wir sind im Austausch mit dem Gesundheitsamt der Stadt. Es liegen bislang noch keine abschließenden Informationen zu den Testergebnissen vor.“ Die Schweineschlachtung sei an einen anderen Betrieb der Unternehmensgruppe ausgelagert. Auf diese Weise könnten sowohl die Lieferanten als auch die Kunden zum größten Teil bedient werden.

Hygienekonzept gefordert

Aus der Geschichte des Bochumer Schlachthofes

Der im Jahre 1877 gegründete Bochumer Schlachthof stand Ende der 1980er Jahre vor dem Aus. Die Stadt hatte sich 1988 von dem ehemals städtischen Betrieb getrennt. Als privat geführter „EG Schlachthof“ wurde das Unternehmen fortgeführt. Damals sorgte die BSE-Rinderkrankheit für große Einbrüche.

In den 90er Jahren wurden im Schnitt dort rund 40.000 Rinder pro Jahr geschlachtet. Noch heute werden dort sowohl Rinder als auch Schweine weiter verarbeitet. Allerdings haben sich mittlerweile auch andere fleischverarbeitende Betriebe auf dem großen Areal an der Freudenbergstraße angesiedelt. Die Bedeutung des Betriebs für die Stadt nahm ab.

Der jetzige Eigentümer Willms Fleisch GmbH hatte bei der Übernahme des Betriebs 2017 angekündigt, am Standort Bochum die Schlachtzahlen auf 2.000 Stück Großvieh und 10.000 Mastschweine pro Woche ausbauen zu wollen. Der eingeführte Name „Bochumer Fleischhandelsgesellschaft“ blieb erhalten.

Als mögliche Erklärung für die Häufung positiver Fälle in der Fleischbranche sieht das NRW-Gesundheitsministerium Probleme mit den Abständen der Beschäftigten beim Weg zur Arbeit und in den Unterkünften. Die Stadt Bochum wollte noch gestern den Schlachthof anhören, inwieweit sichergestellt ist, dass bei Transport und Unterbringung der Arbeitskräfte die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. Zudem soll der Schlachthof bis Freitag ein umfassendes Hygienekonzept vorlegen.