Recklinghausen. .

„Mozarts Musik ist so stark, dass ich unmöglich gegen sie anspielen könnte.“ Das hatte John Malkovich am Montag der Presse mitgegeben. Und so war’s auch bei der Eröffnungspremiere der Ruhrfestspiele mit den „Giacomo Variations“.

Der Star war ein Team-Player. Darin lag wohl für einige im Premieren-Publikum die stille Enttäuschung: Malkovich gab nicht das böse funkelnde Bühnentier; er war schließlich nicht mehr als Frauenmörder unterwegs wie im Vorjahr mit der „Infernal Comedy“. Der 57-Jährige hätte seinem Casanova auch Züge eines Monsters geben können. Auch Festspiel-Intendant Frank Hoff­mann nannte anschließend beim Empfang den venezianischen Dauer-Verführer „diese eigentlich furchtbare Figur“.

Mozart und Da Ponte lassen den dämonischen Macho zur Hölle fahren. Mit der Musik zum Untergang des „Don Giovanni“ als Ouvertüre eröffnete das Orchester Wiener Akademie und Musica Angelica, dirigiert von Martin Haselböck, das Spiel um die Müdigkeit nach lebenslanger Koketterie.

Fast alles war galante Anspielung: Die Musik und Libretti der drei Mozart/Da Ponte-Opern ohnehin, aufs allerliebste illustriert vom Bühnenbild – das eigentlich ein Kostümbild ist. Renate Martin und Andreas Donhauser stellten drei Reifröcke für Riesinnen als Zelte auf die Bretter, gekrönt von zart angestrahlten Miedern. Casanova als Enthüllungskünstler rafft auch diese Schürzen – um sich im Rüschenzelt an den Rokoko-Schreibtisch zu setzen.

Malkovich wirkt mit seiner Stimme

Denn die mit vielen rauschenden und fallenden Röcken angedeuteten Amouren sind eben Rückschau, Teil seiner trotz 5000 Seiten unvollendet gebliebenen Memoiren. Und so wirkt die Präsenz des als Charismatiker vielgerühmten Malkovich in dieser Rolle vor allem aus seiner Stimme: Sie hält den Ton in einer Balance zwischen Lebensüberdruss und gespreizter Eitelkeit. Durch dieses eher matte als glänzende Continuo bricht nur einmal die Empörung: Da erklärt der Exilant im hinterwäldlerischsten Böhmen, wie satt er es habe, sein Leben lang elegant, höflich, formvollendet und geistreich-unterhaltsam gewesen zu sein.

So wie Mozarts Musik, die in Bariton Andrei Bondarenko und vor allem in der Sopranistin Sophie Klußmann zwei hinreißende Interpreten fand. Die „Bravo“-Rufe des Abends gehörten ihr, die sich mit Ingeborga Dapkunaite als Schauspielerin in fliegenden Kostümwechseln die Rollen der vielen Frauen in Casanovas Leben teilte.

Inszenierung wie im 18. Jahrhundert

Das hatte teils ungeheuren Charme, mit wie viel Verve die schönen Stimmen als Schauspieler agierten – und wie in einigen Mozart-Quartetten auch der Star aus Illinois mutig mitsang. Einer der dramatischsten Lebensmomente des Verführers (und in einer Szene auch Vergewaltigers) geriet allerdings zur grotesk unterspielten Farce: Casanova hätte fast seine eigene Tochter geheiratet – hätte er nicht am Tag der Hochzeit doch noch die Mutter der Braut wieder erkannt. Die beiden Bühnen-Paare taumelten umeinander, als wollte eine schwache Regie frivole „Cosi fan tutte“-Wechselspiele persiflieren.

Schließlich stirbt der doppelte Anti-Held (in dessen Kostüm ja auch Bariton Bondarenko immer wieder auftritt) in Schönheit: hingesunken in zwei Rockschöße in einem streng symmetrisch arrangierten Schlussbild. Wie diese Inszenierung kann man sich Theaterabende des 18. Jahrhunderts vorstellen – ehe Schillers „Sturm und Drang“ alles aufmischte.