Recklinghausen. . Bereits zum zweiten Mal ist Hollywood-Star John Malkovich zu Gast bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Letztes Jahr gab er den Serienkiller Jack Unterweger, dieses Jahr eröffnete er das Festival in „The Giacomo Variations“ als alternder Casanova.

Bekannte Festivals scheuen gern das Risiko und erliegen deshalb oft dem Drang des ewig Gleichen. So versammelt das nächste Woche beginnende Filmfestival von Cannes alle Jahre wieder gern die gleichen Regisseure. Und auch die Ruhrfestspiele setzen auf das „déjà vu“, stellen im zweiten Jahr hintereinander den Filmstar John Malkovich auf die Bühne und vertrauen darauf, dass der mühelos vom Serienmörder Jack Unterweger („The Infernal Comedy“, 2010) nun auf den Massenliebhaber Casanova in „The Giacomo Variations“ umschalten kann. Natürlich ist das für den Kinomimen keine Schwierigkeit, bleibt er dabei doch immer Malkovich.

Und auch die Machart dieser deutschen Erstaufführung (nach den Stationen Wien und Sydney) ist die gleiche. Wurde letztes Jahr autobiographischer Unterweger-Text von italienischen Arien unterbrochen, so vermengen sich nun die Lebenserinnerungen des großen Frauenbesteigers mit Melodien aus den drei Mozart-Opern „Don Giovanni“, „Figaros Hochzeit“ sowie „Cosi fan tutte“. Immerhin ist diesmal ein echter Bastard aus Sprech- und Musiktheater entstanden: Sowohl Casanova als auch seine Altersliebe Elise von Recke (Ingeborga Dapkunaite) finden sich wieder in ihren sängerischen Alter egos Andrei Bondarenko und Sophie Klußmann. Als hätten Mozart und sein Librettist Da Ponte in ihren Opern schon immer von Casanova geträumt.

Memoiren in der Abgeschiedenheit

Mit dem alten Frauenhelden sollen wir es hier zu tun haben, mit dem, der auf dem Schloss Dux seines Freundes Graf von Waldstein das Gnadenbrot bekommt und hier in der Abgeschiedenheit an seinen Memoiren schreibt. Man hat so seine Vorstellungen vom alternden Verführer Giacomo, seit Federico Fellini ihn in Gestalt von Donald Sutherland zu einem Getriebenen der Lust stilisierte. Malkovich aber verkörpert hier eher eine gereifte Ausgabe seines gefährlichen Verführers Valmont aus Stephen Frears’ „Gefährlichen Liebschaften“ von 1988. Daseinsangst und Todesfurcht haben keine Chance bei diesem Schauspieler, der selbst eine gespielte Herzattacke eher entspannt und in sich ruhend zur Kenntnis nimmt. Elise ist der Kunstgriff der Dramaturgie, im Gespräch mit ihr soll Casanova abtauchen in seine Vergangenheit, soll entscheidende Begegnungen erinnern. Was dabei herauskommt, sind aber wieder nur lauter Amouren, Inzest und früher Kondomgebrauch; von der weitergehenden Bedeutung Casanovas für seine Zeit weiß Autor und Regisseur Michael Sturminger wenig zu erzählen. Überhaupt fällt das Erzählen schwer, wenn zwischendurch immer wieder Mozarts Arien um Beifall buhlen und ihre Einordnung nicht immer schlüssig scheint. Man spürt, wie Sturminger und sein musikalischer Leiter Martin Haselböck hier unter Anstrengung einen Brocken Kunst ausgeschwitzt haben, der einfach nicht rund werden will.

Ewiges Rein und Raus

Das Bühnenbild immerhin ist von entwaffnender Doppeldeutigkeit. Unterschiedliche Schauplätze werden durch drei riesige Kreolinen markiert. Diese überdimensionalen Reifröcke müssen erst einmal umständlich geöffnet werden, will man an die Bettstatt gelangen – es ist, mit Verlaub, ein ewiges Rein und Raus. Und einmal, als das junge Alter ego der Elise sich schützend und tröstend um die seelisch verwundete Alte kümmert und sie tröstet, verspürt man als Zuschauer sogar so etwas wie Anrührung. Es ist nur ein Moment. Und er hat so gar nichts zu tun mit John Malkovich und dem Startheater, dem man auf dem Grünen Hügel Recklinghausens mit Sponsorenhilfe so gerne huldigt.