Wuppertal/Velbert. . Voller Macht und unantastbar: Jürgen L., der frühere Geschäftsführer des Velberter DRK-Ortsverbandes, erklärte vor dem Landgericht Wuppertal erstmals, wie er sich die notwendigen Unterschriften für die laut Anklage veruntreuten Gelder holte. Er habe sich nicht mit seinen Vorstandskollegen abstimmen müssen.

Wer Jürgen L. dabei zuhörte, wie er sich als früherer Schatzmeister des DRK-Ortsverbandes Velbert dessen Gelder zu Eigen gemacht und wofür er sie gebraucht hat, bekam unverblümt einen Eindruck davon, wie mächtig und unangreifbar er sich 2006 gefühlt haben muss. „Alleinherrscher“ ist dabei noch fast eine charmante Untertreibung, „alles, was ich wollte, habe ich im Vorstand durchgebracht“, sagte der 64-Jährige am Montag am fünften Verhandlungstag vor dem Landgericht Wuppertal, nie sei etwas mit den anderen Vorstandskollegen abgesprochen, „egal, ob es um Millionen ging“, denn: „Ich war DRK.“

Vom Geld ist nichts übrig

Rund 85 000 Euro hat Jürgen L. 2006 und 2007 von DRK-Konten auf seine eigenen umgeleitet und damit unter anderem seinen aufwändigen Lebensstil mitfinanziert. Da war eine weitere Mietwohnung am Steinhuder Meer, wo er segeln ging. Dazu zwei teure Autos, die Mitgliedschaft im Golfclub. „Ich war jemand in Velbert und wollte die Fassade unbedingt aufrecht erhalten“, erzählte L. Summa summarum hätte er dafür monatlich 13 000 Euro gebraucht, doch der finanzielle Scherbenhaufen, auf dem das Luxus- und Lotterleben gründete, bestand schon seit 2004, als beide Konten (der Richter fragte auch vergeblich nach weiteren) teilweise sechsstellig belastet waren. „Von den veruntreuten Gelder ist nichts übrig“, verlas L.s Verteidiger in seinem Namen, insgesamt beläuft der angerichtete Schaden auf mehr als eine halbe Million Euro.

Noch bevor der Ortsverein unter anderem ihm 2007 eine Einzelvollmacht ausstellte, griff L. regelmäßig in die Kassen des DRK. Dafür holte er sich nach eigenen Angaben stets die notwendige zweite Unterschrift der Kassiererin ein, nach einer Gefälligkeit ihr gegenüber „hat sie alles getan, wenn ich mal was wollte“. Mit dem Geld bezahlte er die Krankenversicherung für sich und seine Frau, beglich die eigene Steuerschuld, steckte es in die eigene Tasche. Der Hohn an der Geschichte: Er gab als Verwendungszweck sogar noch Aufwandsentschädigungen an – die er laut Satzung nie hätte bekommen dürfen. Mit Blick auf die Revision sei das ja Selbstmord gewesen, merkte der Vorsitzende Richter Norbert Müller an und fragte daher, ob die Kassiererin denn überhaupt gesehen hätte, was sie dort unterschrieb. Nachdem L. zunächst noch behauptete, es hätte keine Blankounterschriften gegeben, kam es dann aber wohl doch vor, dass er er ihr sagte: „Unterschreib’ schon mal, ich fülle das dann gleich aus.“

L. hatte das DRK auch stets im Hinterkopf, als er seinen Mandanten Siegfried Winterscheidt zu der Testamentsänderung brachte, mit der das Vermögen nach seinem Tod zu zwei Drittel in die gleichnamige Stiftung ging und nur ein Drittel an die Bethel-Stiftung, wie es von der bereits 2003 verstorbenen Ehefrau gewünscht war. Das Finanzamt habe damals gegen Winterscheidt wegen Steuerhinterziehung ermittelt; der einstige Steuerberater L. schlug vor, die Schuld mit Hilfe der Stiftungsgründung auf Null zu drücken. Dies sei ja auch gelungen, räumte der Vorsitzende Richter ein, nur: „Die neue Stiftung als Erbe einzusetzen, war aber gar nicht erforderlich.“ L.s Einwand, „ich wollte aber mehr fürs DRK erreichen“, war für Norbert Müller einleuchtend: „Die Stiftung war Dreh- und Angelpunkt für Ihr Baby. Darüber sollte die Nahrung kommen.“

Zweifelhafte Unterschrift auf Palliativstation

Bei den Ermittlungen fand man bei L. vorformulierte Texte für Testamentsänderungen und ein von ihm handschriftlich verfasstes Papier, das eigene Ausstände in Höhe von rund 500 000 Euro auswies. Diese Summe wollte L. Anfang 2008 von Winterscheidts Privatkonto auf das Stiftungskonto überweisen, was aber im letzten Moment gestoppt worden ist. Über die Jahre hatte L. immer wieder Darlehen aufgenommen. So auch bei seinem Mandanten Prior, von dem er 2005 unter anderem 75 000 Euro bekam und diese in eine Firma steckte, deren Gesellschafterin seine Frau war. Allerdings war das Unternehmen schon längst defizitär – „Sie konnten also kaum erwarten, das Geld zurückzahlen zu können“, schüttelte der Richter den Kopf.

Im Fall Prior fand Müller auffällig, dass dieser zwei Monate vor seinem Tod 2006 noch eine Überweisung unterschrieben habe, obwohl er offensichtlich „kaum noch schreiben konnte“. Prior starb in Wuppertal auf einer Palliativstation. L. war laut eigener Aktennotiz einen Tag vor Priors Ableben an dessen Sterbebett, er habe mit dem „wie immer heiteren“ Mandanten über alles Nötige „für den Fall der Fälle“ gesprochen. „Das wundert mich“, zweifelte Müller, in diesem Stadium seien wegen harter Medikamente „viele gar nicht mehr richtig bei Sinnen“.