Velbert. Menschen, die wenig Geld haben und nicht mobil sind, bringt die Tafel Lebensmittel in ihre Wohnung. Dafür werden dringend mehr Leute gebraucht.

Es ist Mittagszeit, eigentlich sollte jetzt bald der Sprinter vor dem Wohnhaus in der Velberter Flandersbach-Siedlung einparken, müsste danach die Klingel gehen. Da ist es auch schon so weit: Alexandra Huber hat bereits gewartet, ist sofort an ihrer Wohnungstür, drückt auf den Haustür-Öffner und quasi im Handumdrehen stehen auch schon ihre Heinzelmännchen auf der Matte. Es ist der zweite Samstag im Monat, und an diesem sowie immer auch am vierten Samstag eines Monats sind die Hauslieferungen der Tafel Niederberg an der Reihe. Auf vier Touren werden mit einem Caddy und den Klein-Transportern der Tafel jeweils bis zu zwölf Haushalte angesteuert und mit Lebensmitteln versorgt. Und es könnten noch mehr sein, die Nachfrage ist wesentlich größer, wenn es bloß genügend „Saturday Suppliers“ gäbe.

Start am Velberter Standort Mettmanner Straße

Die Lebensmittel-Lieferungen sind sehr gefragt. Der Kunden-Kreis wäre größer, gäbe es genügend Aktive.
Die Lebensmittel-Lieferungen sind sehr gefragt. Der Kunden-Kreis wäre größer, gäbe es genügend Aktive. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Da das aber leider nicht der Fall ist, gibt es gezwungenermaßen für potenzielle Neu-Kunden eine Warteliste. Denn der Kreis der Samstagslieferanten bzw- versorger, um oben verwendeten englischen Begriff mal wörtlich zu übersetzen, ist über die Zeit doch arg geschrumpft. Zu Hochzeiten seien es an die 35 und „im Schnitt so 30“ gewesen, erzählt Dominik Brauckmann. Der heute 28-Jährige ist von Anfang an dabei. Der Velberter macht Fundraising für den Verein „Freunde alter Menschen“, beschafft und organisiert also für dessen Arbeit Mittel, ist zweitens am Wochenende als Barkeeper in der „Keks-Bar“, Bahnhofstraße, anzutreffen und fungiert drittens als Schatzmeister des Tafel-Landesverbandes. „Wir könnten eigentlich sogar jeden Samstag fahren“, illustriert Brauckmann den wahren Bedarf.

Den Plan gab‘s eigentlich schon länger

Renate Zanjani ist die Leiterin der Tafel Niederberg.
Renate Zanjani ist die Leiterin der Tafel Niederberg. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Vorgeschichte reicht zurück bis zu dem ersten, mehrwöchigen Corona-Lockdown in 2020, der auch die von der Bergischen Diakonie getragene Tafel Niederberg traf. Als Ersatz für den Betrieb an den Tafel-Standorten in Heiligenhaus, Velbert und Wülfrath wurde für Härtefälle ein Hauslieferdienst eingerichtet, den man eigentlich schon seit längerem auf die Beine stellen wollte. Vor allem, um die Lücken der „klassischen“ Tafel-Ehrenamtler, die zumeist 65 Jahre und älter sind, zu füllen, taten sich dann Studierende zusammen und nahmen das Ganze in ihre Hände.

Abholen, sortieren, packen und los

Sie wuppen alle Abläufe, holen morgens die Lebensmittel ab, sortieren sie am Tafel-Standort Mettmanner Straße und packen dort die Kisten für die Hauslieferungen. Für die Kunden gelten dieselben Kriterien und Bedingungen wie für alle Tafel-Gäste. Die Tafel-Verantwortlichen hätten sich von Anfang an „völlig im Hintergrund“ gehalten, das Ganze laufe „absolut in Eigenverantwortung“, erklärt Renate Zanjani. Für die Tafel-Leiterin ist die Hauslieferung ein wesentlicher Beitrag zur Barrierefreiheit, nutzt und kommt sie doch vor allem Menschen entgegen, die immobil sind. Ebenso solchen, die aus Krankheitsgründen nicht zu einer Ausgabe kommen können.

Liefer-Listen mit wichtigen Anmerkungen

Die jungen-Tafel-Aktiven wuppen alles eigenverantwortlich.
Die jungen-Tafel-Aktiven wuppen alles eigenverantwortlich. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Oder die tagsüber zu Hause nicht wegkönnen, weil sie sonst Gefahr laufen, womöglich ihren Pflegedienst zu verpassen. So wie Alexandra Huber. Die 51-Jährige ist seit 2009 Tafel-Kundin. Die Ehrenamtler und ihre Arbeit seien für sie eine große Entlastung, „nicht nur finanziell“, fügt sie hinzu: „Die Leute sind immer total nett und alle hilfsbereit.“ Auf ihren Liefer-Listen sind wichtige Details und Besonderheiten vermerkt. So können sich die Helfer darauf einstellen, schließlich haben sie echt kein großes Zeitfenster. Da steht etwa „Schwerhörig, vorher anrufen“, „vegetarisch“, „gerne Brötchen“ oder auch „braucht länger zur Tür“.

Zum ersten Mal einen Klein-Transporter gesteuert

Maren Bock hält dem Team und den Kunden die Treue. Die Studentin kommt alle 14 Tage extra von Köln nach Velbert.
Maren Bock hält dem Team und den Kunden die Treue. Die Studentin kommt alle 14 Tage extra von Köln nach Velbert. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Das war schon ein Abenteuer, das erste Mal einen Sprinter zu fahren“, erzählt Maren Bock von ihrer Einsatz-Premiere. Die Velberterin (23) hat zunächst in Dortmund studiert und lebt mittlerweile in Köln. Aber sie kommt weiterhin alle 14 Tage samstags in ihre alte Heimat und macht weiter im Team mit. „Weil‘s so viel Spaß macht und die Leute so nett sind“, sagt sie. „Und das ist eine wirklich sinnvolle Tätigkeit.“

Zu einem kleinen Kern-Team geschrumpft

„Wir kriegen viel Vertrauen“, kommentiert Lars Pingsmann die Darstellung der Tafel-Leitung. Er studiert Arbeitssicherheit. „Viele hatten schlicht Zeit, weil ja so manches überhaupt nicht stattfand“, blickt er auf die Anfänge zurück. Der Kreis sei über Freundesgruppen, persönliche Ansprache und soziale Medien gewachsen. So mancher ist inzwischen in einer anderen Lebenssituation oder -phase, lebt bzw. wohnt woanders. Mittlerweile sei es bloß noch ein kleines Kern-Team, heißt es. Mit der Folge, dass mitunter Doppelschichten nötig würden mit zwei zwischen vier- und fünfstündigen Touren. Also im Grunde ein ganzer Arbeitstag und - weil eben ehrenamtlich - ohne jeden Cent.

Mehr Leute, mehr Verlässlichkeit

„Zeitspende“ nennt das Renate Zanjani. Sie und Brauckmann würden den Kreis am liebsten „um 10 bis 15 Leute aufstocken“. Der Pool müsse unbedingt größer werden, um mehr Verlässlichkeit zu erzielen. Und weil es zuweilen eng werde, etwa während der Klausur-Phasen und in Urlaubszeiten. Angesprochen sind Menschen der Altersgruppe von Dominik, Lars, Maren und Co., außerdem Schüler und „sehr, sehr Junggebliebene“.

Einfach mal reinschnuppern

Kontakt: Über den Instagram-Account „Saturday Suppliers“, telefonisch unter 0163-4777500 oder einfach mal an einem der nächsten Liefer-Samstage, das sind der 23. März und der 13. April, am Standort Mettmanner Straße 53 zum Kennenlernen reinschauen. Am besten in der Zeit zwischen 11 und 13 Uhr.