Velbert. Angehörige und Mitarbeiter des Seniorenzentrums Velbert sind verzweifelt. Eine Pflegekraft findet klare Worte: „Wir fühlen uns verarscht!“

Zu der schockierenden Nachricht vom vergangenen Freitag gesellt sich Fassungslosigkeit, Wut und Resignation bei den Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitenden des Velberter Seniorenheims am Wordenbecker Weg: Die Einrichtung wird am 15. Juni schließen. Die WAZ hat sich bei den Betroffenen vor Ort umgehört.

Auf dem Gelände des Seniorenzentrums herrscht eine bedrückende Stimmung: Vor dem Eingang sitzen zwei Bewohner mit gesenktem Blick. Daneben eine Frau, offensichtlich eine Angehörige, die hysterisch und merklich wütend herumtelefoniert. Auch das Café und Restaurant sind leer, nur eine Handvoll Leute sitzt dort. Die Mitarbeitenden, die zu ihrer Spätschicht eintrudeln, wirken niedergeschlagen, kraftlos. Eine von ihnen weint.

Anstelle von Geselligkeit macht sich Frust und Antriebslosigkeit unter den Bewohnern des Seniorenzentrums Velbert breit.
Anstelle von Geselligkeit macht sich Frust und Antriebslosigkeit unter den Bewohnern des Seniorenzentrums Velbert breit. © Unbekannt | Tom C. Hoops

Mitarbeiterin aus Velbert hat „einen Kloß im Hals und einen Stein in der Brust“

Die schlechten Neuigkeiten der Vorwoche stecken sowohl den Angehörigen als auch den Mitarbeitenden des Seniorenzentrums in den Knochen. Im Gespräch mit der WAZ berichtet eine Pflegekraft über die letzten Tage: Erfahren habe sie die Hiobsbotschaft zunächst nicht etwa von ihrem Arbeitgeber bzw. dem Insolvenzverwalter, sondern am Freitagnachmittag von ihrem Mann, der es in den Medien aufgeschnappt hatte.

Die Mitarbeiterin ist bereits seit knapp drei Jahrzehnten im Seniorenzentrum angestellt, dementsprechend tief habe die Nachricht sie erschüttert: „Seitdem habe ich nur geweint, habe einen Kloß im Hals und einen Stein in der Brust“, gesteht sie schluchzend.

Bittere Tränen auf dem Parkplatz des Seniorenzentrums Velbert

„Wir fühlen uns verarscht“, sagt die Mitarbeiterin: Bei einem Treffen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Freitag hätten alle geweint. In diesem Moment bricht es wieder über ihr zusammen, die Tränen laufen, während sie auf dem Parkplatz vor der Pflegeeinrichtung steht: „Das ist mein zweites Zuhause, meine zweite Familie. Mir tut es nicht für mich leid, sondern für die Menschen.“

Die 47-Jährige gibt einen kurzen Einblick in die Stimmungslage der Bewohner: „Die Leute sind platt“, ihnen fehle die Kraft, nach dem Schock zusammen zu sitzen, die Gemeinschaftszimmer würden größtenteils leer bleiben. Deshalb haben sie am Montag ein Banner aufgehängt: „Alte Menschen verpflanzt man nicht“ – wohlwissend, dass das Seniorenheim dadurch allein nicht gerettet werden kann.

Seit Montag hängt am Seniorenzentrum am Wordenbecker Weg in Velbert ein Banner, das für das Schicksal der Bewohner sensibilisieren soll.
Seit Montag hängt am Seniorenzentrum am Wordenbecker Weg in Velbert ein Banner, das für das Schicksal der Bewohner sensibilisieren soll. © Unbekannt | Tom C. Hoops

Gute Miene zu bösem Spiel am Tag vor dem Eklat

Einen Tag vor der Hiobsbotschaft, am Donnerstag, habe es noch ein Weinfest mit allen Mitarbeitern und auch den Chefs gegeben, so die Mitarbeiterin. Zu dem Zeitpunkt wusste niemand der Bewohner oder Pflegekräfte, dass sich am nächsten Tag alles für sie ändern würde. Es wurde getrunken und gelacht, frei nach dem Motto: Gute Miene zu bösem Spiel. „Wir haben es niemandem angemerkt“.

Zudem bleibt die Frage offen, ob und wann die Mitarbeitenden ihr Gehalt bekommen: Die Pflegekraft erzählt, sie habe zuletzt rund 500 Euro weniger erhalten, auch ihre Zuschläge seien noch nicht da. Darum müsse sie sich unbedingt jetzt kümmern: „Zu wem soll ich denn sonst ab dem 16. gehen?“

Auch mit einem Angehörigen hat sie gesprochen. Er habe sie gefragt, wie er innerhalb von zwei Wochen neben seinem Vollzeit-Job noch einen Wohnplatz für seine Mutter finden soll.

Angehörige müssen sich künftig auf lange Anfahrten zu ihren Liebsten einstellen

Eine Herkulesaufgabe, die Corina Hamann bereits hinter sich gebracht hat: Erleichtert berichtet sie, dass sie ihre Mutter bereits in einem anderen Wohnheim unterbringen konnte – die Zusage habe sie erst vor Kurzem erhalten. „Aber es hat ja nicht jeder so viel Zeit dazu, ich bin aktuell im Urlaub“, erzählt Corina Hamann. Ihre Mutter sei erst seit Dezember letzen Jahres im Seniorenzentrum Velbert – nun müsse sie mit einer erneuten Veränderung klarkommen.

„Und ich muss jetzt statt acht 30 Minuten zum Besuchen fahren“, stöhnt sie. Von Convivo bzw. der Insolvenzverwaltung bekamen sie am Dienstag lediglich zwei „dünn bedruckte DIN A4 Seiten“: Darauf sind Vorschläge zu finden, wo Angehörige untergebracht werden könnten. Erst am Donnerstag soll eine Informationsveranstaltung für Bewohner und Angehörige stattfinden.

Probleme auch für Mieter im Servicewohnbereich: Es gibt kein Essen mehr

Auch für Außenstehende ist der Fall ums Seniorenheim „mit einem Skandal gleichzusetzen“. Edeltraud Schwartmann geht öfter mit Bekannten einen Kaffee im angrenzenden Restaurant trinken. Sie erzählt, dass sie eine Freundin habe, die in dem von der Schließung eigentlich nicht betroffenen Servicewohnbereich lebe – jedoch im Restaurant ihr Essen bekomme. „Wie soll sie denn jetzt Verpflegung bekommen?“, fragt Edeltraud Schwartmann. Es sei enttäuschend, wie rücksichtslos mit den Menschen umgegangen werde.