Langenberg. Können Angehörige von Opfern und Tätern sich annähern? Ja,das zeigte das Westfälische Landestheater in „Wir haben Worte“ im Bürgerhaus Langenberg
Trauer kann verbinden, trösten, auch unüberwindbare Grenzen überwinden. Das zeigte das Westfälische Landestheater mit dem eindrucksvollen Stück „Wir haben Worte“ unter der Regie von Intendant Ralf Eberling im Bürgerhaus Langenberg. Es basiert auf dem französischen Bestseller „Il Nous Reste Les Mots“, der die Begegnung und den Dialog zweier Väter dokumentiert, deren Lebensläufe durch eine schicksalhafte Katastrophe zusammengeführt werden. Christian Scholze adaptierte diesen Dialog für die Bühne.
Am 13. November 2015 ereignet sich in Paris ein Terroranschlag, der 130 Menschen das Leben kostet und 683 Menschen teils schwer verletzt. Terroristen versuchten, sich mit Sprengstoff und Waffengewalt Zutritt zum Fußballstadion zu verschaffen, in dem gerade das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Frankreich stattfand. Dies gelang nicht, aber weitere Attentate auf Bars, Restaurants und auf das Bataclan-Theater fordern zahlreiche Menschenleben.
Zwei Opfer – zwei Schicksale
Eines der Opfer ist die 28-jährige Lola Salines, die sich zum Zeitpunkt des Anschlages auf dem Rockkonzert der Band „Eagles of Death Metal“ im Bataclan befindet. Auch für den gleichaltrigen Samy Amimour endet diese Nacht tödlich, auch er befindet sich zum Zeitpunkt seines Todes im Bataclan-Theater. Anders als bei Lola stammen die Kugeln aber aus den Waffen des Anti-Terror-Kommandos der französischen Polizei. Samy Amimour ist einer der Attentäter.
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Diese beiden Schicksale begegnen dem Zuschauer im Stück „Wir haben Worte“ in Form zweier trauernder Väter, die in Erinnerungen nach Trost und Antworten suchen. Im höchsten Maße authentisch dargestellt werden diese von den Schauspielern Neven Nöthig als Georges Salines, dem Vater von Lola, und Wolfgang Wirringa als Azdyne Amimour, dem Vater von Samy.
Intensives Spiel der beiden Darsteller
In einem minimalistischen Bühnenbild in schwarz weiß, berichtet Wirringa als Azdyne Amimour von der schleichenden Veränderung seines Sohnes Samy. Von der Zerrissenheit des Jungen zwischen der algerischen und der französischen Kultur aufzuwachsen, von seiner Introvertiertheit und davon, wie er sich mehr und mehr von der Familie zurückzieht. Er erzählt von der Suche des Jungen nach Halt und Identität und dessen Hinwendung zum muslimischen Glauben. Und von dessen Anklage an den Vater, der den Glauben und damit ein Stück der eigenen Kultur aufgegeben hat.
Nöthing als Salines hakt nach, will verstehen, sucht nach Erklärungen. Zu keinem Zeitpunkt klagt er an, kann aber zeitweise seine Bestürzung nicht unterdrücken. Auch er nimmt den Zuschauer mit in die Erinnerungen an seine Tochter und verwandelt damit die anonyme Zahl eines Opfers in einen lebenslustigen Menschen aus Fleisch und Blut.
Nöthing zeichnet das Bild eines gefassten Vaters, dem in verletzlichen Momenten die Stimme bricht, der in der Stille um Fassung ringt, und dessen Hände Halt an einem Taschentuch suchen.
Möglichkeit zum Gespräch
Mit der gemeinsamen Botschaft der Männer zum Schluss – „Es ist möglich zu reden“ –, bietet sich den Zuschauenden die Möglichkeit, eigene Einstellungen zu hinterfragen und einzuordnen. Im Anschluss ist das Publikum zu einer Nachbesprechung eingeladen. Eine Chance zur ersten Verarbeitung und zum gegenseitigen Austausch, an dem auch die Schauspieler Nöthing und Wirringa teilnehmen.
Ein Zuschauer, der sich zu Wort meldet, berichtet davon, wie er persönlich die Ereignisse des 13. Novembers am Fernseher wahrgenommen hat. Auch ihn beunruhigten die Explosionen, die während der Übertragung des Fußballspieles zu hören waren. Er bewertet, aber die Tatsache, dass das Spiel dennoch fortgesetzt wurde als richtige Entscheidung, verhinderte sie doch eine Massenpanik und noch mehr potenzielle Opfer auf den Straßen von Paris.
„Wir haben Worte“ ist ein Stück, welches Eindruck hinterlässt und im Besonderen die Perspektive der Eltern eines Täters ein großes Stück sichtbarer macht. Mit dem Satz, „Der frei Wille ist ein Problem, welches auch wir Atheisten haben“, entlässt Salines Amimour aus der Verantwortung und übergibt sie dem Täter Samy in vollem Umfang.
>>>Die Entstehung des Stücks<<<
Die Regieassistentin und Abendspielleitung Kristina Berens beschrieb dem Publikum in der Nachbesprechung die Motivation und Entstehung des Theaterstückes.
Da die außerordentliche Begegnung von Salines und Amimour bis dato nur als Buch im französischen Original und in einer englischen Übersetzung vorliegt, sei der Wunsch, den Inhalt auch einem deutschsprachigen Kreis zugänglich zu machen, entstanden.
Das Westfälische Landestheater stellte sich in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Christian Scholze dieser Herausforderung. Scholze bezog Amimour und Salines mit in die Arbeit ein, traf sich mit beiden Männern in Frankreich.