Velbert/Kreis Mettmann. Eine Insolvenz wie bei „Convivo“ ist bislang im Kreis Mettmann ein Einzelfall. Fachleute sprechen aber von wachsendem Druck auf die Seniorenheime.

In Langenberg plant „Convivo“ zwischen Hüser- und Bonsfelder Straße einen neuen Seniorenpark, der im dritten Quartal 2025 fertig werden soll, doch aktuell taucht der Name des Unternehmens erst einmal in eher unschönen Zusammenhängen auf. Seit nämlich Ende Januar publik geworden ist, dass zumindest Teile der Unternehmensgruppe (Bremen) insolvent sind.

In Velbert sorgt das in drei großen, von „Convivo“ betriebenen Senioreneinrichtungen für Verunsicherung: in der Seniorenresidenz Rheinischer Hof in der Innenstadt, dem Seniorenzentrum Velbert am Wordenbecker und der Seniorenresidenz Elisabeth in Langenberg. „Solche Insolvenz-Fälle wie ,Convivo’ sind aber nicht typisch für den Kreis Mettmann“, heißt es auf Nachfrage bei der Kreisverwaltung. Sie ist bei dem Thema involviert, denn die Heimaufsicht ist Sache des Kreises.

Heimaufsicht ist Sache des Kreises Mettmann

Marcus Kowalczyk (li.) ist Kreis-Dezernent für Soziales, Gesundheit und für Menschen mit Behinderung. Martin Klemmer leitet das Kreis-Sozialamt.
Marcus Kowalczyk (li.) ist Kreis-Dezernent für Soziales, Gesundheit und für Menschen mit Behinderung. Martin Klemmer leitet das Kreis-Sozialamt. © Katharina Krause | Kreis Mettmann

„Wir arbeiten im Fall ,Convivo’ mit zwei Insolvenzverwaltern zusammen und wissen eigentlich auch nicht mehr als in der Presse steht“, sagt Marcus Kowalczyk. Das Insolvenzgeld fließe aktuell bis Ende März, so der Kreis-Dezernent für Soziales, Gesundheit und für Menschen mit Behinderung weiter. Insofern bestehe für die Mitarbeiter kein Druck. Als positiv notiert hat Kowalczyk den Umstand, dass die „Insolvenzverwalter tatsächlich in den Einrichtungen und bei den Beschäftigten waren“.

Auslastung unter 95 Prozent birgt Probleme

Unter wachsendem Druck finanzieller Art sieht Martin Klemmer allerdings manches Seniorenheim. Bedingt durch den Fachkräftemangel, der „eklatant und ein Riesending“ sei, schildert der Leiter des Kreis-Sozialamtes die Lage, komme es zu einer reduzierten Belegung der Einrichtung: „Das ist das Kernproblem.“ Hintergrund: Die Kalkulation der Pflegesätze orientiert sich an einer Auslastungsquote von etwa 95 Prozent. Bekommen Heime also mehr als fünf Prozent ihrer Plätze nicht belegt, haben sie sehr schnell ein handfestes Problem. Und das bei zuletzt gestiegenen Personal- Heiz- und anderen Kosten.

Mit einem Belegungsstopp eingreifen

Die Residenz Rheinischer Hof ist eine von aktuell drei „Convivo“-Einrichtungen in Velbert.
Die Residenz Rheinischer Hof ist eine von aktuell drei „Convivo“-Einrichtungen in Velbert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„50 Prozent des Personals einer Einrichtung müssen Fachkräfte sein“, erläutert Frank Albers. Sonst müssten die Betreiber auf die „unsagbar teure Zeitarbeit zurückgreifen“, die an Stundensätze von fast 80 Euro brutto komme, berichtet der Leiter der Heimaufsicht. Diese ist ein neunköpfiges Team – darunter auch zwei Pflegefachkräfte und eine Heilerziehungspflegerin –, das sich wohlgemerkt nicht nur um Senioreneinrichtungen kümmert. Sie machen aber ein Gros der Arbeit aus.

„Da ist ein Schattenmarkt entstanden“, merkt Klemmer zum Thema Zeitarbeit an. Wenn die Heimaufsicht feststelle, dass pflegerische Defizite bestünden, könne man einen Belegungsstopp verfügen, erklärt Albers. Das komme durchaus vor, habe jedoch keine negativen Folgen für die aktuellen Bewohner. Es gebe die Erwartung, dass die 50-Prozent-Quote abgesenkt werde.

Nur sechs freie Plätze im gesamten Neanderland

Frank Albers ist Leiter der Heimaufsicht.
Frank Albers ist Leiter der Heimaufsicht. © Niklas Schlösser | Kreis Mettmann

Im Neanderland gibt es derzeit 56 Seniorenheime von mehr als 30 verschiedenen Trägern. Sie halten kreisweit insgesamt 5154 Plätze vor. Von ihnen waren zum Zeitpunkt des Gesprächs im Kreishaus sechs unbelegt. NRW-weit gab es an dem Tag 1025 freie Pflegeplätze.

„Zum Geldverdienen gekauft“

Aber zurück zu „Convivo“. Sie sei „eine von vielen Firmen, die in privater Hand sind und die von privaten Finanziers zum Geldverdienen gekauft worden ist“, sagt Harald Meyer. „Das passt absolut nicht zur Aufgabe der Daseinsvorsorge und geht letztlich alles zu Lasten des Steuerzahlers“, moniert der Verdi-Gewerkschaftssekretär im Landesfachbereich für Gesundheit. Den Personalmangel und den Umstand, dass manche Fachkräfte beim bisherigen Arbeitgeber kündigen und stattdessen bei Zeitarbeitsfirmen anheuern, kommentiert Meyer so: „Wir haben keine Pflegekräfte, weil jahrelang die Ausbildung vernachlässigt worden ist und weil die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung so beschissen sind.“

Später ins Heim und mit höherem Pflegegrad

„Die Menschen kommen heutzutage deutlich später in die Heime und mit höheren Pflegegraden“, schildert Martin Klemmer den Wandel. Die Aufenthaltsdauer werde kürzer. „Wer absehbar innerhalb der nächsten zwei Jahre versorgt werden möchte“, empfiehlt Dezernent Kowalczyk, „der sollte sich jetzt frühzeitig kümmern und anmelden“.

>>> Heimaufsicht veröffentlicht ihre Prüfberichte

Die Heimaufsicht berät und informiert über die Rechte und Pflichten von Heimbewohnern und Heimbetreibern, sie geht Beschwerden und Anregungen der Bewohner und ihrer Angehörigen nach.

Zentrales Ziel der Heimaufsicht ist es, die Interessen der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und ihre Selbstständigkeit zu wahren. Dies soll durch regelmäßige unangemeldete Kontrollen der Wohn- und Betreuungsangebote sichergestellt werden. Im Anschluss an diese Regelprüfungen wird jeweils ein Prüfbericht erstellt.

Seit einigen Jahren werden die Berichte über die wesentlichen Ergebnisse dieser Regelprüfungen auch zusätzlich in dem Internet-Auftritt der Aufsicht veröffentlicht.