Velbert/Kreis Mettmann. Annette Henning aus Velbert-Langenberg leitet jetzt die Direktion Kriminalität der Kreispolizei. Sie hat vor allem Enkeltrick-Täter im Visier.
Was denkt und empfindet Annette Henning angesichts der üblen Enkeltricks, von denen es immer wieder neue und andere perfide „Spielarten“ gibt? Ihre Antwort kommt prompt: „Absolut widerwärtig.“ Die Kriminaldirektorin – ihr Leben lang in Velbert-Langenberg verwurzelt – hat zuletzt im Polizeipräsidium Dortmund gearbeitet, war dort vor allem für die Bekämpfung der Organisierten sowie der Drogen- und Wirtschaftskriminalität verantwortlich, und leitet jetzt die Direktion Kriminalität bei der Kreispolizeibehörde (KPB) Mettmann. Dazu gehören ca. 200 Kollegen und Kolleginnen. Maßgeblich im Fokus hat sie die Bekämpfung der „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen durch überörtlich agierende Täter“.
Annette Henning ist in Velbert-Langenberg verwurzelt
Polizeiintern firmiert das unter der Abkürzung „SäM-üT“. Der Bereich war schon Behörden-Schwerpunkt, übrigens auch landesweit, doch Henning will die Anstrengungen noch vergrößern. „Kernaufgabe ist es, zu schauen, wie und wo wir die potenziellen Opfer erreichen können“, erklärt die 46-Jährige. Die Kreispolizei sei im Bereich Prävention „schon sehr gut aufgestellt“, aber das sei der einzige Weg, „den wir weiter forcieren können“.
Jeder neue Fall ist ein Ansporn
„Wir haben einen guten Draht zu den Banken und Sparkassen, sie sind alle angeschrieben.“ Richtig gut seien auch Einsatz und Wirkung der mehr als 100 ehrenamtlichen Senioren-ASSE. „Jeder neue Enkeltrick-Fall ist uns Ansporn, und selbstverständlich schauen wir auch nach guten Ideen und Ansätzen in anderen Behörden“, kündigt die Direktionsleiterin an. „Es ist einfach nur schlimm, wie die Täter eine Notlage vorgaukeln, um die Gutmütigkeit von Menschen zu missbrauchen und auszunutzen.“ Aktuell arbeiteten die Straftäter am Telefon auch mit falschen Wasserwerkern und Polizisten. Da werde dann z. B. die Lüge aufgetischt, dass eine nahe Verwandte in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei, bei dem ein Mensch getötet worden sei. Aber der Angerufene könne seine Verwandte aus der Haft auslösen, wenn er eine hohe Kaution zahle.
Polizistin rät: Zuhause nicht so viel Bargeld horten
„Bei einem solchen Schockanruf legt sich ein Schalter um“, sagt Annette Henning und schildert plastisch, unter welch ungeheuren Stress und Druck das jeweilige Opfer gesetzt werde, so dass es letztlich eine große Summe Bargeld oder ggf. auch Schmuck an einen ihm unbekannten Abholer/Überbringer herausrückt. Daher müsse es auch Bestandteil der Präventionsarbeit sein, darauf hinzuwirken, grundsätzlich zuhause nicht zu viel Bargeld zu haben. Zumal das auch andere Gefahren berge, etwa bei einem Wohnungseinbruch. Allerdings seien längst nicht nur ältere Menschen das Ziel von Tätern. Bei den zunehmenden WhatsApp-Delikten gehe es zudem auch um kleinere Beträge.
Hinzu kommt noch das Schamgefühl
Leider passiere es nicht oft, dass die Polizei bei einem Enkeltrick-Anruf sofort und umgehend eingeschaltet werde, „so dass wir schon beim Abholen einschreiten können. In der Regel erfahren wir leider zu spät davon, oft dann, wenn dem Betroffenen der Sachverhalt klar wird“. Viele Opfer litten zusätzlich noch unter einem extremen Schamgefühl. „Die Täter arbeiten organisiert, höchstprofessionell und bandengewerbsmäßig – ihnen gilt es, das Handwerk zu legen.“
Als Juristin direkt in den höheren Polizeidienst
Die Direktionsleiterin hat in Marburg und Düsseldorf Jura studiert und ist nach dem Abschluss 2003 direkt in den höheren Polizeidienst eingestiegen. In ihrem Büro im Mettmanner KPB-Gebäude hängt als Erinnerung ehemaliger Kollegen eine Grafik mit den Koordinaten des Dortmunder Präsidiums, gibt es ein VfL-Trikot als Remineszenz an ihre Bochumer Zeit. Eine weitere Station ihrer beruflichen Biographie war Köln. Und jetzt Mettmann, wo sie Nachfolgerin von Thomas Schulte ist, der zum Abteilungsleiter aufgestiegen und jetzt quasi Polizeichef ist. „Es ist ne tolle Stelle“, erklärt die Kriminaldirektorin.
Behördenleiter sieht ausschließlich Vorteile
„Frau Henning bringt jede Menge kriminalistischen, aber auch juristischen Sachverstand mit. Zudem kennt sie sich hier bereits auch örtlich gut aus“, so Landrat Thomas Hendele zu der Personalie. Er ist der oberste Leiter der KPB und sagt: „Davon können wir bei uns bei der Kreispolizeibehörde Mettmann nur profitieren.“
Unterschiedliche Städte mit unterschiedlichen Problemlagen
„Der Wechsel jetzt in den Kreis Mettmann ist für mich ein bisschen wie ein berufliches Nach-Hause-Kommen“, meint Henning. Sie steht nicht nur den vier Regional-, sondern auch den sechs Fach-Kommissariaten und der Führungsstelle der Direktion Kriminalität vor. Derzeit besucht sie alle Regional-Kommissariate. „Wir haben schließlich sehr unterschiedliche Städte mit unterschiedlichen Problemen.“ In Velbert habe man es auf jeden Fall mit Betrugsdelikten zu tun, doch das sei kein Alleinstellungsmerkmal. Grundsätzlich habe in Corona-Zeiten die Internet-Kriminalität zugenommen. Und zwar allenthalben.
>>> Kreisweit präsent in allen zehn Städten
Die Kreispolizeibehörde Mettmann umfasst vier verschiedene Direktionen, einen zentralen Leitungsstab in Mettmann und jeweilige Wachstandorte in allen zehn Städten des Neanderlandes.
Die so genannte polizeiliche Leitung hat der Abteilungsleiter Polizei, Thomas Schulte. Oberster Behördenleiter ist Landrat Thomas Hendele.