Neviges. Vor allem ältere Menschen werden oft Opfer von Betrügern. Die Kreispolizei Mettmann informiert in einem Vortrag, wie man sich schützen kann.

Betrüger am Telefon haben bei Walter Goltzsche keine Chance. Der Senior weiß genau Bescheid, wie der berüchtigte „Enkeltrick“ abläuft, man ist ja schließlich informiert, liest Zeitung, man hört es immer wieder. Trotzdem ist der Senior sehr froh, an diesem Vormittag gemeinsam mit Ehefrau Barbara ins Familienzentrum Siepen gekommen zu sein. „Ich bin eigentlich vorsichtig, aber heute hab ich hier meine Schwachstelle entdeckt. Ich werde zukünftig auch den Stadtwerken nicht mehr so einfach die Tür öffnen und die hereinlassen.“ Kriminalhauptkommissarin Ilka Steffens von der Kreispolizei Mettmann hielt auf Einladung der Diakonie und des Familienzentrums Siepen einen Vortrag zum Thema „Enkeltrick, Trickdiebstahl und Co.“

Aktuell viele Schock-Anrufe

Die Masche sei im Grunde immer gleich, die Varianten würden immer raffinierter, so die Expertin in Sachen Kriminalprävention und Opferschutz. Und immer setzten die Täter bei ihren Betrügereien auf die Gutgläubigkeit und Hilfsbereitschaft vor allem älterer Menschen, nutzten dabei ein Gefühl aus, das den Verstand schachmatt setze: Angst. „Neben dem leider immer noch beliebten und erfolgreichen Enkeltrick beobachten wir ganz aktuell besonders viele Schockanrufe.“

Seniorin erstattet Anzeige

Kriminalhauptkommissarin Ilka Steffens hatte jede Menge Informationsmaterial dabei.
Kriminalhauptkommissarin Ilka Steffens hatte jede Menge Informationsmaterial dabei. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Es melde sich dann eine weinende, schluchzende Person, gerne eine Frau, die nur schwer zu verstehen sei. Und schon tappe das Opfer in die erste Falle: „Silke, bist du das?“ Haben die Täter diese erste Tür aufgestoßen, also den Kontakt hergestellt, seien zwei Varianten beliebt: Entweder werde erzählt, ein Angehöriger sei schwer verletzt, habe einen Unfall erlitten, müsse sofort operiert werden oder jemand sei anderweitig in eine Notsituation geraten. Die Kommissarin erinnert dabei an den Fall einer 87-Jährigen aus Heiligenhaus, die von einer Frau angerufen wurde, die behauptete, ihre Tochter zu sein. Sie habe einen Jungen überfahren, sei jetzt völlig fertig und in Haft. Doch gegen eine Kaution komme sie frei, eine Bekannte nehme das Geld entgegen. Die Seniorin setzte sich daraufhin mit einem fünfstelligen Betrag ins Auto und übergab auf einem Parkplatz das Geld an eine fremde Frau. Diese Seniorin hat später Anzeige erstattet – was nicht die Regel sei. „Wir haben keine Ahnung, wie hoch die Dunkelziffer ist. Vielen ist es peinlich, zur Polizei zu gehen. Sie schämen sich vor ihrer Familie und vor Bekannten“, so Ilka Steffens.

Täter telefonieren in Call-Centern

Ob bei den besonders perfiden „Schock-Anrufen“ oder beim „Enkeltrick“: Die Anrufer säßen in Call-Centern im Ausland und verfügten hier vor Ort über ein gut funktionierendes Netzwerk. Der Beginn des „Enkeltricks“ sei immer gleich: „Rate mal, wer hier ist“ oder auch gern „Hallo, kennst du mich noch?“ Und schon verstrickten die Gauner die völlig überrumpelten Senioren in ein Gespräch, behaupteten etwa, sie seien gerade beim Notar und wollten eine „total günstige Wohnung kaufen, eine einmalige Gelegenheit“, kämen aber gerade nicht an ihre Ersparnisse heran. „Die texten Sie schwindelig, da wissen sie nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht“, weiß Ilka Steffens aus zahlreichen Gesprächen mit Opfern.

Auch falsche Polizisten rufen an

Expertin hilft am Telefon weiter

Kriminalhauptkommissarin Ilka Steffens vom Dezernat Kriminalprävention/Opferschutz mit Sitz in Hilden gibt Senioren gern weitere Informationen zum Thema unter 02104 9827715. Auch wer Informationsmaterial wünscht, kann sich an Ilka Steffens wenden.

Falls jemand einen mysteriösen Anruf bekommen hat bzw. Besuch an der Haustür, sollte unter 110 den Polizei-Notruf wählen.

Eine andere Masche ist, dass falsche Polizisten anrufen, und Schmuck und Bargeld an sich nehmen wollen, weil gerade eine Einbrecherband unterwegs sei. Immer wieder kämen auch Betrüger, die dreist an der Haustür klingelten und behaupteten, sie seien Handwerker, wollten Gas und Wasser ablesen. „Die Stadtwerke melden sich an. Und auch kein Handwerker kommt mal einfach so vorbei und auch nicht die Telekom, um irgendwelche Leitungen zu prüfen“, stellt die Kriminalhauptkommissarin klar. Leider gebe es auch immer wieder hilfsbereite Menschen, die fremde Leute auf ihre Toilette ließen oder ihnen ein Glas Wasser reichten. „Diese Täter an der Haustür kommen immer zu zweit, das merken Sie nur nicht. Wenn Sie vorgehen, um den Weg zur Toilette zu zeigen, ist der zweite schon in der Wohnung, guckt nach Schmuck.“

Nie Fremde in die Wohnung lassen

Daher der dringende Rat: „Niemals fremde Leute in die Wohnung lassen. Und wenn es klingelt, immer erst durch den Türspion schauen. Wenn man unbedingt reden möchte, die Tür nur öffnen, wenn man sie mit einer Kette oder Bügel sichern kann, also nur einen Spalt öffnen.“ Um sich vor unliebsamen Anrufen zu schützen, den Eintrag mit dem Namen aus dem Telefonbuch löschen. „Hedwig, Gertrud, Helga, da wissen Täter, das sind keine jungen Leute. Nie am Telefon über Geld reden und niemals, wirklich niemals Geld an Fremde herausgeben.“ Und bei fremden Anrufern am besten sofort auflegen: „Auflegen ist nicht unhöflich.“

Türhänger als Gedächtnisstütze

Bei der Polizei gibt es als Schutz vor Betrügern neben umfangreichem Info-Material auch diverse Gedächtnisstützen als Alltagshelfer mit nützlichen Tipps: Etwa einen praktischen „Türhänger“, den man sich an die Klinke hängen kann oder einen kleinen Aufsteller „Achtung! Falsche Polizeibeamte!“, der prima neben das Telefon passt. Den „Enkeltrick“ gebe es übrigens in abgewandelter Form schon ewig, so die Kriminalhauptkommissarin: „Das funktionierte schon ohne Telefon. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg gab es Gauner, die auf der Straße Heimatvertriebene angesprochen haben.“

Die Bergische Diakonie, so kündigte Mareike Bierig an, will Vorträge dieser Art in Kooperation mit dem Familienzentrum Siepen und der Kreispolizei Mettmann in Zukunft auch zu anderen Themen anbieten. „Wir kommen wieder“ rief Walter Goltzsche gut gelaunt. Und künftig will er an der Haustür noch vorsichtiger sein.