Langenberg. Jan-Niclas Cleve hat am Gymnasium Langenberg Abi gemacht. Der Schule stattete der Student nun einen Besuch ab – mit einem Experiment im Gepäck.

„Vorstellung ist ein Problem in der Quantenphysik“, sagt Jan-Niclas Cleve und rund zwei Dutzend Köpfe nicken zustimmend. Der Student hat einst am Gymnasium in Langenberg sein Abitur gemacht, nun steht er selbst vor zwei Kursen und macht Unterricht.

Thematisch beschäftigen sich sowohl der Grundkurs der Stufe Q1 als auch der Leistungskurs der Q2 – also der Oberstufenjahrgänge – mit der Quantenphysik. Die ist ein sehr spezieller Teilbereich der Physik, extrem theoretisch, Experimente sind selten.

Experimente aus dem Koffer

Aufmerksam hören die Oberstufenschülerinnen und -schüler den Ausführungen von Physikstudent Jan-Niclas Cleve zu. Der hat selber am Gymnasium Langenberg sein Abi gemacht und ist nun mit einem seltenen Physik-Experiment für eine Unterrichtseinheit zurückgekehrt.
Aufmerksam hören die Oberstufenschülerinnen und -schüler den Ausführungen von Physikstudent Jan-Niclas Cleve zu. Der hat selber am Gymnasium Langenberg sein Abi gemacht und ist nun mit einem seltenen Physik-Experiment für eine Unterrichtseinheit zurückgekehrt. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Aber“, sagt Jan-Niclas Cleve, „die Quantenphysik wird immer wichtiger in ganz vielen Bereichen. Also müssen wir junge Menschen früh für dieses Thema begeistern." Und das geht eben besser, wenn die Theorie auch praktisch anschaulich gemacht werden kann.

Jan-Niclas Cleve kann das. Er hat einen kompakten Koffer dabei, den Quantenkoffer. Davon gibt es derzeit in Deutschland nur rund eine Handvoll, die auch funktionieren. Einen besitzt die Ruhr-Uni Bochum und die kooperiert praktischerweise mit dem Langenberger Gymnasium.

Beide Seiten profitieren von dem Besuch

Noch praktischer ist, dass Jan-Niclas Cleve zu denjenigen Studierenden gehört, die die Kooperation mit den Schulen begleiten. Als dann eines Tages seine ehemalige Lehrerin Ina Martini auf der Matte stand, entschloss er sich, selbst mit dem Koffer in der ehemaligen Schule vorbeizuschauen.

Warum das so ungewöhnlich ist? „Normalerweise erläutere ich den Lehrerinnen und Lehrern, wie der Koffer funktioniert und wie er im Unterricht eingesetzt werden kann.“ Doch weil nun seine alte Schule involviert ist, „habe ich das selbst übernommen.“ Positiver Nebeneffekt: „So kann ich den Koffer selber testen, schauen ob alles funktioniert und später dann anderen Lehrerinnen und Lehrern besser erklären, was sie damit alles machen können.“

Erst Theorie, dann Praxis

Im unteren Teil des Koffers wird ein Laserstrahl erzeugt, die verschiedenen Steckelemente können den Kurs des Strahls ändern. Am Ende werden die Teilchen gezählt, die an den Rezeptoren ankommen und als Diagramm – die grünen Linien auf dem Display – dargestellt. So können vorher berechnete Wahrscheinlichkeiten experimentell überprüft werden.
Im unteren Teil des Koffers wird ein Laserstrahl erzeugt, die verschiedenen Steckelemente können den Kurs des Strahls ändern. Am Ende werden die Teilchen gezählt, die an den Rezeptoren ankommen und als Diagramm – die grünen Linien auf dem Display – dargestellt. So können vorher berechnete Wahrscheinlichkeiten experimentell überprüft werden. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Zurück zum Unterricht. Der beginnt erst einmal theoretisch, Jan-Niclas Cleve geht mit den Schülerinnen und Schülern ein paar Grundlagen durch. Und dann kommt endlich der Koffer zum Einsatz. In den können Elemente gesteckt werden, die zum Beispiel Spiegel enthalten.

Anschließend werden mittels eines Kristalls Photonen erzeugt (ein Laserstrahl), der sich dann seinen Weg durch das Spiegellabyrinth sucht. An den Enden stehen – laienhaft ausgedrückt – Empfänger, die den Strahl aufnehmen. Hier werden die Photonen gezählt.

Wahrscheinlichkeiten überprüfen

Das Experiment dient dazu, berechnete Wahrscheinlichkeiten zu überprüfen. Denn im Gegensatz zu anderen Bereichen der Physik gibt es in der Quantenphysik keine exakt vorhersagbaren Ergebnisse, sondern eben nur eine wahrscheinliche Verteilung.

Physiker der Universität Siegen haben am Institut für Experimentelle Quantenoptik von Prof. Christof Wunderlich einen Quantencomputer gebaut. Hier kommen die Prinzipien zur Anwendung, die die Schülerinnen und Schüler im Physikunterricht am Gymnasium Langenberg kennenlernen.
Physiker der Universität Siegen haben am Institut für Experimentelle Quantenoptik von Prof. Christof Wunderlich einen Quantencomputer gebaut. Hier kommen die Prinzipien zur Anwendung, die die Schülerinnen und Schüler im Physikunterricht am Gymnasium Langenberg kennenlernen. © WP | Hendrik Schulz

„Gleichzeitig zeigt das Experiment, das Licht, einfach gesagt, nicht bloß eine Welle ist, sondern auch aus Teilchen besteht“, ergänzt Physiklehrerin Ina Martini die Ausführungen ihres ehemaligen Schülers – der währenddessen Arbeitsblätter austeilt und Fragen beantwortet.

„Das bringt auf jeden Fall Abwechslung in den Unterricht“, sagt Simon. Der 17-Jährige hat den Leistungskurs Physik gewählt und freut sich, dass das eher trockene Thema nun so anschaulich präsentiert wird.

Thema ist prüfungsrelevant

„Warum haben wir eigentlich nicht so einen Koffer hier an der Schule“, fragt er lachend Physiklehrerin Ina Martini. „Weil der nicht ganz billig ist“, antwortet die, und schaut fragend Jan-Niclas Cleve an. „Ja“, sagt der lachend, „wir bewegen uns da schon im sechsstelligen Bereich.“

Umso toller sei es, führt er weiter aus, „dass eine Stiftung uns als Uni bei der Anschaffung unterstützt hat.“ Es kämen sogar Experimentalforscher zu ihm und würden klagen, „warum wir so etwas haben und die nicht.“ Bei dem Satz huscht Ina Martini ein Grinsen über das Gesicht, Schüler Mikel ist das nicht entgangen: „Jetzt sind Sie richtig stolz, oder?“ fragt er lachend. Sie nickt.

Dann geht der Unterricht auch schon weiter. Es wird wieder stiller im Klassenraum, Konzentration ist gefragt. Denn auch wenn der Besuch des Ehemaligen Abwechslung in den Unterricht bringt – prüfungsrelevant ist der Inhalt trotzdem.

Quantencomputer

Ein Quantencomputer ist ein Prozessor, der die Gesetze der Quantenmechanik nutzt. Theoretische Studien zeigen, dass unter Ausnutzung bestimmter Effekte Probleme der Informatik, z. B. die Suche in extrem großen Datenbanken, effizienter gelöst werden können als mit klassischen Computern.

Seit 2018 investieren viele Regierungen und Forschungsorganisationen sowie große Computer- und Technologiefirmen weltweit in die Entwicklung von Quantencomputern, die von vielen als eine der entstehenden Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts angesehen werden.

Quantencomputer könnten eine Lösung sein für zum Beispiel Optimierungsaufgaben der Finanzwirtschaft oder für Simulationen, um neue chemische Stoffe zu finden – für Biotechnologie oder Medikamente etwa.