Velbert. Dr. Esther Kanschat will ein Land, das aus lauter starken Kommunen besteht. Die Velberterin ist die Kandidatin der Grünen für den NRW-Landtag.

Sie wäre im neuen NRW-Landtag die erste grüne Abgeordnete aus dem hiesigen Wahlkreis, wenn sie es denn am 15. Mai wirklich packt: Dr. Esther Kanschat hat nämlich keinen aussichtsreichen, geschweige denn komfortablen Listenplatz, sondern muss ihr Mandat schon direkt holen und deshalb beim Erststimmen-Sammeln alle Mitbewerber überflügeln. Die 55-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren in der Velberter Kommunalpolitik aktiv, ist erneut 2020 bei der Kommunalwahl als Kandidatin fürs hauptamtliche Bürgermeisteramt angetreten, unterlag in der Stichwahl knapp gegen Dirk Lukrafka (CDU), wurde anschließend zur ersten stv. Bürgermeisterin gewählt und ist weiter als Ratsfrau aktiv. „Für vieles, was ich vor Ort gerne verbessern möchte, muss ich den Hebel auf Landesebene ansetzen“, schildert sie den Haupt-Beweggrund für ihre aktuelle Kandidatur.

Velberterin will möglichst viele grüne Ziele umsetzen

In der konstituierenden Sitzung des Velberter Rates wurde Esther Kanschat im November 2020 zur ersten stv. Bürgermeisterin gewählt. Hier nimmt sie die Glückwünsche von Bürgermeister Dirk Lukrafka entgegen.
In der konstituierenden Sitzung des Velberter Rates wurde Esther Kanschat im November 2020 zur ersten stv. Bürgermeisterin gewählt. Hier nimmt sie die Glückwünsche von Bürgermeister Dirk Lukrafka entgegen. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Mettmann haben sie im Januar nominiert. Und setzen auch in den drei anderen Landtagswahlkreisen im Neanderland ausnahmslos auf Frauen. Nur eine hat einen Listenplatz. Jüngste Umfragen sehen die Grünen nach ihrem dürftigen Abschneiden bei der Landtagswahl 2017, gefolgt von dem starken Aufwind beim kommunalen Urnengang 2020 nunmehr landesweit bei 17 Prozent. „Ich glaube schon, dass es mit Rot-Grün am einfachsten wäre“, beantwortet Kanschat die Frage nach ihrer Wunschkonstellation, „aber unabhängig von der Koalition geht es darum, vor allem möglichst viele grüne Ziele umzusetzen.“

Klimaveränderung ist existenziell

„Wir brauchen bei Gesetzgebungsverfahren viel zu lange“, moniert sie, nennt beispielhaft den Bereich regenerative Energie und Abstandsregeln für Windräder. Beim Artenschutz fordert sie mehr Muss statt Soll, sie plädiert für naturnähere Wälder und contra Flächenversiegelung. Und ist überzeugt, dass die Plakate mit klassisch grünen Kernthemen wichtig sind und die Menschen auch ansprechen; trotz der Dramatik um Putins Krieg gegen die Ukraine und mögliche weitere Entwicklungen. „Wir dürfen den Klimaumschwung und z. B. das Waldsterben nicht aus den Augen verlieren. Das ist existenziell und fällt uns auf die Füße.“

Schon in allen Stadtbezirken gewohnt

Bei der Friedenskundgebung sprach die stv. Bürgermeisterin auf dem Offersplatz.
Bei der Friedenskundgebung sprach die stv. Bürgermeisterin auf dem Offersplatz. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Die Grüne stammt aus Rüthen (Kreis Soest), kam 1999 nach Velbert, hat in Langenberg gewohnt, dann in Mitte und heute in Neviges und lebt in einer so genannten Patchworkfamilie. Drei der insgesamt sieben Kinder sind noch zuhause. Die promovierte Chemikerin unterrichtet am GSG Chemie und Physik, favorisiert bildungspolitisch ein eingliedriges Schulsystem. Ihr Kommentar zu ihren beiden wichtigsten Konkurrenten im Wahlkampf? Da kommt ein „Ich kenne ihn kaum, er ist ja vor Ort recht unbekannt“ zu Cüneyt Söyler (SPD). „Martin Sträßer weiß ich als Persönlichkeit schon zu schätzen“, sagt sie zum CDU-Mann und derzeitigen Abgeordneten. „Aber politisch fehlt mir die Bewegung in die richtige Richtung.“

Angemessene Unterstützung erforderlich

Esther Kanschats dominierendes Motto lautet „Starke Kommunen, starkes Land“. „Es setzt sich ja schließlich aus Kommunen zusammen.“ Aber denen werde zu viel abverlangt bzw. aufs Auge gedrückt. So sei man letztlich auf Ausgaben und Schulden im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen sitzen geblieben. „Der Rechtsanspruch auf Offenen Ganztag wird durchgesetzt, aber finanziell lässt man uns im Regen stehen.“ Wütend machen sie auch die Klassengrößen. „Wir müssen am Gymnasium bis zu 33 pro Klasse aufnehmen.“ In der Mittelstufe sei keine Klasse unter 32. Es sei höchste Zeit für eine ausgewogene Unterstützung und Finanzierung der Kommunen.

Bliebe noch die Frage nach einem aktuellen Vorbild. „Ich finde tatsächlich Mona Neubaur sehr gut. Ihre direkte Art, das Tacheles-Reden, das ist genau meins.“