Neviges. Seine Chöre sind sein Lebenswerk. Im Jubiläumsjahr 2021 ist Chorleiter Manfred Hagling erleichtert, einen würdigen Nachfolger zu präsentieren.

Ein Leben ohne seine Chöre, ohne Auftritte und Proben, ohne seinen Musikunterricht? Kann sich Manfred Hagling, seit 50 Jahren Leiter des Rhythmus-Chors Velbert-Neviges und seit 40 Jahren des Rhythmus-Parenten-Chors, noch nicht so recht vorstellen. Wenn Manfred Hagling am 3. Oktober beim Jubiläumsfestakt im Glockensaal die Nachricht verkündet, mit der viele Chormitglieder schon länger gerechnet haben, geht eine Ära zu Ende: „An diesem Tag werde ich den Taktstock zu treuen Händen übergeben. An den besten Nachfolger, den ich mir wünschen kann.“ Manfred Hagling sagt „Tschüss“, die Leitung aller Chöre übernimmt dann sein Sohn Michael.

Das Lebenswerk ist in besten Händen

„Ich bin jetzt 79 Jahre, und ich will ja nicht mit 100 noch vor dem Rhythmus-Chor stehen“, sagt der jung gebliebene Chorleiter, der sich bereits seit zwei Jahren Gedanken über seine Nachfolge gemacht hat. „Aber finden Sie mal jemanden, der all das macht. Es geht ja nicht nur um die Chöre.“ Da ist das ganze Angebot im Musikalischen Erlebniszentrum. „Und ja, es ist mein Lebenswerk, das möchte man doch in guten Händen wissen. Ich hatte meinen Chören schon vor zwei Jahren gesagt: Ich versuche, jemanden zu finden.“

Der Sohn überraschte den Vater

Immer ein besonderes Konzert für Manfred Hagling: Seit über vier Jahrzehnten treten seine Chöre beim Adventskonzert im Mariendom auf. In diesem Jahr wird es sein Sohn Michael leiten.
Immer ein besonderes Konzert für Manfred Hagling: Seit über vier Jahrzehnten treten seine Chöre beim Adventskonzert im Mariendom auf. In diesem Jahr wird es sein Sohn Michael leiten. © FUNKE Foto Services | Carsten Klein

Wie so oft, liegt das Gute so nah, in diesem Fall sitzt es seit Jahren im Rhythmus-Chor am Schlagzeug. Sohn Michael, auch Pianist und Keyboarder, scheint sehr beliebt im Chor zu sein. „Es hieß dann auf einmal: Du machst das doch weiter, oder?“, erzählt der zweifache Familienvater, von Beruf Berater im IT-Bereich. Michael Hagling (53) sagte „Ja“, begann heimlich die umfangreiche Chorleiter-Ausbildung und überraschte dann damit seinen Vater. „Das war natürlich ein Knaller“, so Manfred Hagling, „ich kann mir keinen besseren Nachfolger wünschen.“

Taktstock von Pater Hubertus

Zahlreiche Ehrungen

Große Erfolge hat der Rhythmus-Chor Velbert-Neviges auch bei Auftritten mit der „Abba Show“ und zahlreichen anderen Musicals.

Chorleiter Manfred Hagling ist unter anderem Träger des Verdienstkreuzes am Bande. Anlässlich seiner 50-jährigen Dirigententätigkeit verlieh ihm die Stadt 2017 den Ehrentaler der Stadt Velbert. Unter anderem besitzt er die Goldene Chorleiter-Ehrennadel des Deutschen Chorverbandes, um nur einige seiner Auszeichnungen zu nennen.

Wenn er den wertvollen antiken Taktstock aus schwarzem Ebenholz und Perlmutt, den ihm der inzwischen verstorbene Pater Hubertus im Jahr 2012 vererbt hat, beim Festakt am 3. Oktober übergebe, geschehe dies auch mit einem Gefühl großer Dankbarkeit: „Es bleibt in der Familie, es bleiben die Hagling-Chöre. Und sogar die Initialen M. H. bleiben bestehen, das alles ist ein Glücksfall.“ Michael Hagling möchte als neuer Chorleiter „die Tradition weiterführen und dazu offen für Neues sein“, wie er erzählt. „Die Gospels, die Chöre, das alles bleibt. Zusätzlich könnte ich mir mehr Tanz vorstellen. Wir hatten mal Line-Dance bei einem Freizeitwochenende, das kam unheimlich gut an.“

Auch für Manfred Hagling, der insgesamt sogar 55 Jahre lang diverse Chöre leitete, spielten Bewegung und Choreographie, eben das Rhythmische, stets eine große Rolle. Daher war auch 1971 der Name seines Hauptchores schnell gefunden. Ein Leben ohne Musik, das ist für den gebürtigen Essener absolut undenkbar. „Bei meinen Eltern stand ein Klavier, ich war neugierig, das hatte mich schon immer fasziniert.“ Klavierunterricht, Orgelunterricht, Kompositionslehre – schon während seiner Schulzeit in einem Essener Gymnasium absolvierte der Jugendliche ein beachtliches Programm. „Ich habe dann 1966 mein Chorleiter-Examen am Folkwang-Konservatorium in Essen abgelegt und 1967 meinen ersten Chor in Mülheim übernommen.“

Zwei Berufe parallel

Beim Festakt zum 50-jährigen Dirigentenjubiläum 2017 bekam Manfred Hagling den Ehrentaler der Stadt Velbert und Glückwünsche vom inzwischen verstorbenen Altbürgermeister Heinz Schemken, über 45 Jahre Protektor des Rhythmus-Chors Velbert-Neviges.
Beim Festakt zum 50-jährigen Dirigentenjubiläum 2017 bekam Manfred Hagling den Ehrentaler der Stadt Velbert und Glückwünsche vom inzwischen verstorbenen Altbürgermeister Heinz Schemken, über 45 Jahre Protektor des Rhythmus-Chors Velbert-Neviges. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Wie es ihn dann nach Neviges verschlug? Der musikverrückte junge Mann hörte damals einen Satz, der vielen Künstlern bekannt vorkommen dürfte: „Nun, meine Eltern sagten damals: Mach deine Musik, aber mach auch etwas Vernünftiges.“ Gesagt, getan. Die erste Station des späteren Diplom-Verwaltungswirtes war damals Neviges: „Da begann ich als Stadtinspektor-Anwärter.“ Parallel ließ ihn die Musik, der Gesang nicht los. „Ja, und 1971 hatte mich der damalige Rektor der Hauptschule Siepen angesprochen, die Schule gibt es ja längst nicht mehr. Er brauchte einen Musiklehrer.“

Keimzelle war ein Schulchor

Kaum in der Schule, gründete Manfred Hagling einen Schulchor, aus dem noch im gleichen Jahr der Rhythmus-Chor hervorging. „Wir hatten damals schnell viel Zulauf, schon im ersten Jahr traten wir in der Stadthalle auf.“ Dann ging es Schlag auf Schlag. Zehn Jahre später hob Manfred Hagling den „Rhythmus-Parenten-Chor“ für Erwachsene aus der Taufe. Die 1983 gegründeten „Schemmi-Singers“, genannt nach dem verstorbenen ehemaligen Bürgermeister und Chor-Protektor Heinz Schemken, bezeichnet Hagling als seine „Star-Formation“. Seit 1989 gibt es die Sing- und Chorschule, seit 2006 den Liedergarten – alles unter einem Dach im Musikalischen Erlebniszentrum an der Tönisheider Straße 51.

Viele Aktivitäten im Verein

In all den Jahren sei es ihm immer um mehr gegangen als nur um Musik, betont Manfred Hagling: Ob Bastelnachmittage, Sängertouren, Feten, das Schwarzlicht-Theater – der Rhythmus-Chor ist in all den Jahren für viele Kinder und Jugendliche zu einer wichtigen Adresse geworden. Bei allen Aktivitäten habe ihn seine Frau Brigitte, auch erste Vorsitzende des Rhythmus-Chores, stets unterstützt. „Bei uns können die Chormitglieder immer anrufen, wir sind ansprechbar.“ Das will die Institution in der Velberter Chorlandschaft auch für seinen Nachfolger sein. Bis Oktober bleibt alles beim alten, danach freut sich Manfred Hagling auf mehr Zeit für zehn Enkel und einen kleinen Urenkel. „Dann ist hier immer Leben in der Bude.“ Der Verdacht liegt nahe, dass dann auch ordentlich Musik gemacht und gesungen wird im Wohnzimmer an der Elsbeeker Straße.