Velbert. 33 Hebammen sind in Velbert gelistet. Dennoch ist die Suche für Schwangere schwierig. Zwei Hebammen erklären, warum und was sich ändern müsste.
Immer wieder musste die Geburtsklinik in Velbert in den vergangenen Wochen Schwangere abweisen. Der Grund: ein Hebammenmangel, vor dem der Deutsche Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe seit Jahren warnen.
Laut einer Studie der Universität Bochum aus dem Jahr 2019, müssen Frauen in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich vier Hebammen anrufen, um eine Betreuung für ihr Wochenbett zu finden. Knapp zehn Prozent der rund 1800 Befragten gaben an, mehr als zehn Hebammen kontaktiert zu haben.
Velberter Geburtsklinik musste Schwangere an andere Kliniken vermitteln
Im Velberter Helios Klinikum Niederberg werde die Situation zurzeit durch „eine erhöhte Anzahl an Schwangerschaften unter den Hebammen selbst“ sowie durch „kurzfristige Ausfälle, die zudem in die Urlaubszeit fallen“ verschärft, so Pressesprecherin Janina Decker.
Dies hat zur Folge, dass Schwangere teilweise an andere Kliniken vermittelt werden mussten – was laut Decker aber reibungslos funktioniere: „Wir arbeiten eng vernetzt mit den Kliniken in Essen und Wuppertal zusammen und können so eine kurzfristige und sichere Überweisung sicherstellen.“ Außerdem versuche die Klinik, Geburtshelferinnen aus dem „nahen Ausland zu akquirieren.“
Doch nicht nur bei der Geburtshilfe im Krankenhaus, auch für die Vor- und Nachsorge fehlt es in Velbert an professioneller Betreuung. Dabei ist die Stadt mit 33 Hebammen, die dem Gesundheitsamt gemeldet sind, vergleichsweise relativ gut aufgestellt.
Hebammen in NRW stoßen laut Studie an Kapazitätsgrenze
Sarah Kleinschulte ist eine von ihnen. Seit acht Jahren begleitet sie freiberuflich Schwangere vor und nach der Geburt. Bis April 2022 ist sie ausgebucht. „Den Mangel an Hebammen gibt es ja nicht erst seit gestern. Und da hat sich auch überhaupt nichts verändert. Ich habe sogar im Gegenteil eher das Gefühl, dass immer weniger Kolleginnen freiberuflich arbeiten oder generell weniger Schwangere betreuen“, so Kleinschulte.
Die Studie der Uni Bochum, für die über 1900 Hebammen befragt wurden, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass „die Hebammen sowohl im klinischen als auch im ambulanten Bereich absolut an die Grenzen ihrer Versorgungskapazitäten stoßen.“
Kleinschulte hat in der ersten Jahreshälfte doppelt so viele Frauen für die Nachsorge angenommen wie in den Jahren zuvor – und musste dennoch „ohne Ende“ Frauen abweisen. Auch die Velberter Hebamme Deborah Ann Cosmades ist bis Februar 2022 bereits „komplett ausgebucht“.
Velberter Hebamme: „Zwölf-Stunden-Tage sind bei mir nicht selten.“
Für sie hängt der Mangel an Hebammen mit den Arbeitsbedingungen zusammen, die der Beruf mit sich bringt: „Zwölf-Stunden-Tage sind bei mir nicht selten.“ Sie stelle fest, dass viele Kolleginnen heute mehr Wert auf eine ausgeglichenere Work-Life-Balance legen würden: „Ich glaube, dass viele Hebammen versuchen, den Stress zu reduzieren und deshalb weniger Schwangere betreuen.“
Auch Kleinschulte kennt lange Arbeitstage. Als sie noch vor wenigen Jahren in der Klinik Geburten betreut hat, habe sie bis zu 70 Stunden in der Woche gearbeitet.
Schlechte Bezahlung als Hauptursache für Hebammenmangel
Das größte Problem ist laut den Velberter Hebammen aber die schlechte Bezahlung. Für einen Hausbesuch, der sie meist eine Stunde Zeit koste, erhalte Cosmades 38,50 Euro brutto. „Ein Witz“, wie sie findet.
Außerdem seien ihre Ausgaben sehr hoch. Als Selbstständige verdiene sie zwar etwas mehr als ihre Kolleginnen, die in Kliniken angestellt sind, dafür müsse sie aber fast 1000 Euro monatlich für ihre Versicherung zahlen. Hinzu kommen Kosten für vorgeschriebene Fortbildungen.
Hebammen, die Geburten begleiten, müssen zusätzlich eine Haftpflichtversicherung zahlen, die in den vergangenen Jahren immer teurer wurde. „Es ist ein sehr anspruchsvoller Beruf mit enormer, eklatanter Verantwortung für die Mutter und das Kind. Das muss doch honoriert werden“, kritisiert Cosmades.
Hebammen in Velbert
Aufgrund des Hebammenmangels sollten Schwangere so früh wie möglich Geburtshelferinnen kontaktieren.
Der Kreis Mettmann listet auf seiner Website alle Hebammen, die eine Betreuung für Velbert und Umgebung anbieten.
Studiengang Hebammenwissenschaft sehr beliebt
Trotz dieser Bedingungen ist das Interesse an dem Beruf weiterhin hoch. An der Universität Bochum gingen für das Wintersemester 2020/21 über 600 Bewerbungen für den Studiengang Hebammenwissenschaften ein. Nur 56 Studierende wurden angenommen.
Dass ihre Arbeit prinzipiell als sehr positiv wahrgenommen wird, ist auch Cosmades Eindruck: „Das Berufsbild ist sehr attraktiv, das wird mir oft gespiegelt. Das ist ja das Dubiose: Es bewerben sich immer wesentlich mehr Leute, um Hebamme zu werden, als ausgebildet werden können. Es ist ein sehr elitärer Beruf.“
Trotz der vielen Herausforderungen und Kompromisse, die sie eingehen muss, ist sie auch noch nach zwanzig Jahren überzeugt davon, dass es „ein ganz, ganz toller Beruf“ ist: „Man ist so nah bei einem Wunder dabei. Man ist Zeuge von einem ganz frisch entstandenen Leben.“