Velbert. Digitales Studium wird mit jedem neuen Corona-Höchststand alternativloser. Zwei Studierende berichten, wie sie diese Uni-Zeit erleben.

Studieren bedeutet für viele Menschen, nicht früher als 2.45 Uhr ins Bett zu gehen, etwa vierzehn Stunden zu schlafen, mal ab und an etwas Schlaues zu lesen, meistens aber viel Zeit in Kneipen zu verbringen. Das alles stimmt.

Studieren bedeutet aber auch volle Hörsäle, viele Vorlesungen, viel Arbeit, neue Beziehungen und viel persönlicher Kontakt mit anderen Studierenden und Dozenten. Hier formen sich normalerweise menschliche Verbindungen, die im Idealfall ein ganzes Leben lang halten. Doch momentan läuft an den Unis so gut wie nichts, das Lernen läuft fast nur noch digital ab.

Digitale Beerpong-Turniere

Kann ein digitales Beerpong-Turnier helfen, das auch ohne persönlichen Kontakt zu schaffen? „Naja, das ist nicht so meine Welt“, sagt Lea Messerschmidt und lacht. Die Velberterin studiert im dritten Semester Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen.

Erzwungene Distanz

Die Fachschaft ihres Studiengangs hat sich Gedanken gemacht, das ist spürbar. Aber dem digitalen Beerpong-Turnier traut Messerschmidt dann doch nicht. „Alleine vor meinem Laptop einen Tischtennisball in Biergläser werfen und mich dabei selbst bejubeln?“ Das käme ihr komisch vor – und so klingt es ehrlicherweise auch. Das Beispiel macht ein Dilemma deutlich: Wie sollen Universitäten und Studierende mit der Corona-Situation und der erzwungenen Distanz umgehen und wie können sie es schaffen, trotzdem Nähe zu herzustellen?

Aus dem Boden gestampft

In den letzten Monaten wurde einiges aus dem Boden gestampft: Online-Vorlesungen, Zoom-Meetings, Telefon-Sprechstunden und die exotischeren Auswüchse der Krise: digitale Feiern samt studentischer Rituale, von denen niemand gedacht hätte, dass sie irgendwann mal ins Digitale verlegt werden würden; wie das Beerpong-Turnier. „Mir tut die Situation vor allem für Studienanfänger leid, die sich gar nicht austauschen und kennenlernen können“, sagt Messerschmidt.

"Die Frischlinge leiden"

Joel Szabo pflichtet ihr bei. „Die ganzen Frischlinge leiden sehr, sie können keinen kennenlernen. Das wird denen den Spaß am Studieren versauen.“ Der 25-jährige Sonderpädagogik-Student denkt kurz nach, dann sagt er grinsend: „Der Spaß im Studium kommt ja nicht vom Studium selbst, sondern von den Leuten – es kann im Moment also eigentlich gar keinen Spaß machen.“

Ein Jahr nicht an der Uni

Szabo selbst war seit fast einem Jahr nicht mehr an der Uni zum Studieren. Dass er seine Kommilitonen nicht sieht, findet er ungut. Seine Universität ist – wie viele andere – auf digitale Vorlesungen und Seminare umgestiegen.

Probleme mit der Konzentration

Messerschmidt kennt das auch, hat da aber Schwierigkeiten mit der Konzentration: „Ich hab auf jeden Fall das Problem, dass ich mich nicht so gut konzentrieren kann wie in einer richtigen Vorlesung. Mal räume ich auf, mal bin ich am Handy oder mache mir Essen.“

"Wirkt aktiver als vorher"

Bringen die Online-Alternativen denn irgendetwas? „Die digitalen Vorlesungen fand ich besser als die normalen. Weil die Dozierenden gezwungen wurden, sich über ihre Strukturen Gedanken zu machen. Das wirkt jetzt aktiver als vorher“, sagt Szabo. Auch Messerschmidt hat etwas gefunden: „Dass ich unheimlich viel Zeit spare, weil ich nicht mehr pendeln muss.“

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Diskussionen fehlen

Ersetzen können all die digitalen Alternativen die persönliche, sinnliche Erfahrung nicht. Das Beerpong-Turnier vor der Webcam ist nicht dasselbe wie das echte Um-den-Hals-Fallen im Sonnenaufgang, nachdem der letzte Tischtennisball erfolgreich im Bierglas gelandet ist, unter dem Jubel der anderen und mit der neuen Lieblingsperson an der Seite. Die Online-Vorlesung, in der einem jedes Räuspern unangenehm vorkommt, kann die manchmal langen, aber oft interessanten Diskussionen in den echten Hörsälen nicht ersetzen.

Neue Realität

Und trotzdem ist sie das also, die neue Realität. „So wie es im Moment ist“, sagt Lea Messerschmidt, und sie klingt melancholisch, „bricht komplett diese sehr intensive Studienerfahrung weg“. Weitere Berichte aus Velbert lesen Sie hier.

Info:

Auf absehbare Zeit wird es in den Universitäten keinen Normalbetrieb geben. Zwar kann eine kleine Anzahl von Studierenden unter bestimmten Bedingungen (in einem großen Hörsaal mit Lüftungsmöglichkeit, zum Beispiel) in der Universität zusammenkommen, trotzdem befinden sich die Bildungseinrichtungen im Ausnahmezustand.

An der Wuppertaler Universität etwa müssen Plätze in der Bibliothek reserviert werden. „Ich mache das nachts, weil da oft noch mehr frei ist“, erzählt eine Studentin.​