Blind zu sein bedeutet große Einschränkungen im Alltag. Der Erfahrungsstammtisch des Blindenvereins in Velbert klärt regelmäßig über Hilfen auf.
Tamara Ströter hält ihre kleine Münzbox in die Kamera, schaut mit offenen Augen in Richtung Fotograf. Wo genau sie hinschauen muss, kann sie nur erahnen, denn Tamara Ströter ist blind. „Genau so ist es super“, lobt WAZ-Fotograf Christof Köpsel und drückt mehrfach hintereinander auf den Auslöser.
Erfahrungsaustausch unter Betroffenen
Mitte dieses Monats hatte die erste Vorsitzende des Seh- und Blindenvereins Kreis Mettmann (BSVKME) Betroffene und Interessenten erneut zu einem Erfahrungsaustausch eingeladen. Einige kennen sich untereinander, andere sind neu dabei. So wie der Velberter, der neben Tamara Ströter Platz genommen hat. Er trägt eine Brille, das rechte Auge ist darüber hinaus mit einer schwarzen Augenklappe abgedeckt. Vor einem Jahr ist der 64-Jährige auf diesem Auge komplett erblindet, mit dem linken Auge kann er nach wie vor sehen.
Glaukom kann zur Erblindung führen
Die Diagnose: Grüner Star. Glaukom. Eine Augenkrankheit, die durch einen erhöhten Augeninnendruck entsteht. Wenn erste Symptome auftreten, ist der Sehnerv meistens schon unwiderruflich geschädigt – so wie bei Herrn M. „Es fing mit leichten Gesichtsfeldeinschränkungen an“, erinnert sich der ehemalige selbstständige Handwerksmeister, „und dann war ich beim Augenarzt und das Auge ist nach und nach erblindet.“
Es fehlt an psychischer Unterstützung
Man merkt: Darüber zu reden, fällt ihm schwer. „Ich war immer selbstständig, ich hab geschweißt und andere Arbeiten gemacht, bei denen die Augen hätten geschädigt werden können, aber es war immer alles gut. Und dann das. Es belastet mich sehr. Ständig stoße ich irgendwo an, ich sehe Dinge einfach nicht mehr, es macht mich fertig. Aber Hilfe für die Psyche findet man in diesem Bereich überhaupt nicht, ich fühle mich mit meinen Sorgen allein gelassen.“ Tamara Ströter, die erste Vorsitzende, macht Mut. „Um so wichtiger ist es, dass Sie heute hier sind, ich denke, wir können Ihnen sicher einige gute Ratschläge und Tipps geben.“
Als Blinder erkennbar sein
Eine andere ältere Teilnehmerin wühlt in ihrem Portemonnaie, erkennen kann sie keine einzige Münze mehr, bittet um Hilfe. Sie leidet an der Makuladegeneration (AMD), einer altersbedingten Netzhauterkrankung. Tamara Ströter reicht ihr eine große elektronische Lupe. „Es gibt viele Hilfsmittel“, weiß die 52-Jährige, die seit 2003 vollständig blind ist, und rät der alten Dame dringend, sich künftig im Straßenverkehr nur noch mit Armbinde oder weißem Blindenstock zu bewegen. „Das hat einen rechtlichen Hintergrund, wenn Sie einen Unfall haben, dann werden sie zwar behandelt, aber ihre Haftpflichtversicherung könnte Ihnen eine Teilschuld an dem Unfall geben.“
Rund 80 Menschen in Velbert sind blind
In Velbert leben rund 80 Menschen, die als blind gelten: Sie sehen entweder überhaupt nichts, trotz Korrektur weniger als zwei Prozent auf dem besseren Auge oder das Gesichtsfeld beträgt weniger als fünf Grad (Tunnelblick). Wenn sie sich draußen bewegen, sind sie einer Menge Gefahren ausgesetzt. „Barrierefreiheit vom Bürgersteig auf die Straße ist ja an und für sich eine gute Sache für Rollstuhl- oder Rollatorfahrer“, weiß Tamara Ströter, „für uns Blinde aber bedeutet das, dass wir, ohne es zu erkennen, einfach auf die Straße laufen.“
Barrierefreiheit gefährlich für Blinde
Um dem vorzubeugen, gäbe es Kompromisslösungen mit Drei-Zentimeter-Absenkungen oder Bereiche mit Doppelquerung und Rillen, die mit dem Blindstock tastbar seien. „Es gibt sie vereinzelt in Velbert, aber längst nicht überall“, weiß die Expertin. Das Gleiche gilt für Ampelanlagen. „Es gibt viele mit taktilen Tasten, die mit Vibration funktionieren, aber dazu muss man als Blinder ja erst mal den Ampelmast finden. Viel besser sind die mit akustischen Signalen.“
Alleine auf der Straße unterwegs zu sein, das versucht Tamara Ströter auch nach 17 Jahren vollständiger Blindheit zu vermeiden. „Selbst die Wege, die ich kenne, sind nicht sicher, es können immer mal Mülltonnen oder andere Dinge im Weg stehen, mit denen ich nicht rechnen kann.“