Velbert. Tamara Ströter ist blind, meistert den Alltag aber dank anderer Sinne und verschiedener Hilfsmittel. Auf dem Weihnachtsmarkt wird’s schwierig

Jascha Winking

„Ich muss auf die Kerzen aufpassen“, sagt Tamara Ströter, „die habe ich schon in Gläsern stehen“. Natürlich: Weihnachtskerzen haben schon für den einen oder anderen Hausbrand gesorgt. Für Ströter aber sind sie noch deutlich tückischer. Denn die 51-Jährige ist seit vielen Jahren blind.

Die Kerzen stelle Tamara Stroeter in Gläser – sicherheitshalber.
Die Kerzen stelle Tamara Stroeter in Gläser – sicherheitshalber. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Wie erlebt jemand Weihnachten, der auf einen entscheidenden Sinn verzichten muss? „Ich achte mehr auf die anderen Sinne“, sagt sie. „Ich fühle zum Beispiel den Unterschied zwischen Zucker und Mehl, wenn ich Plätzchen backe, oder rieche den Weihnachtsbaum sehr stark.“ Ströter greift in ihrem Weihnachtsalltag auf wichtige Hilfsmittel zurück.

Das Handy kann helfen

Die Rezepte für das Weihnachtsgebäck etwa „habe ich von Facebook geklaut“, wie sie lachend verrät. Dank der Vorlesefunktion ihres Handys ist das mittlerweile problemlos möglich, genau wie das Bedienen eines Computers mit derselben Funktion. „Die Technik ist für uns schon ein Segen“, sagt Ströter, und verweist umgehend auf ihren Wecker, der ihr die Uhrzeit ansagt. Auch diesen Text in der WAZ wird sie mithilfe eines Lesegerätes vorgelesen bekommen. Übrigens: ohne ihr Produkterkennungsgerät und ihre sprechende Waage geht bei ihr in der Weihnachtszeit, die ja gleichzeitig Plätzchenzeit ist, nichts.

Mit den Lichterketten ist es schwierig

Auch beim Dekorieren kommen ihr ihre anderen Sinne zu Hilfe: „Ich weiß einfach, wo die Sachen bei mir im Haus stehen. Ich habe Lichtwahrnehmung, ich dekoriere recht normal.“ Nur mit Lichterketten sei es schwierig. „Aber die sind ja auch für Sehende Stolperfallen.“ Komplizierter kann es da schon außerhalb der eigenen vier Wände werden. Den Weihnachtsmarkt zu besuchen etwa, ist alleine fast unmöglich. „Ich habe zum Beispiel eine Freundin aus Mülheim, wenn sie ins Einkaufszentrum will, müsste sie den Weihnachtsmarkt überqueren – das schafft sie nicht.“

Wann ein Mensch als blind gilt

Ein Mensch ist sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 Prozent von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt.

Ein Mensch ist hochgradig sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 5 Prozent von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt.

Ein Mensch ist blind, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 2 Prozent von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt.

Weihnachtskonzert statt Weihnachtsmarkt

Auch für Ströter ist das schwierig. Stattdessen unternimmt sie andere Ausflüge: zu Weihnachtskonzerten, „da ist es auch nicht so kalt wie auf dem Weihnachtsmarkt“, wie sie grinsend sagt. Oder zu Weihnachtsfeiern: vom Blinden- und Sehbehindertenverein für den Kreis Mettmann e.V., dessen erste Vorsitzende sie ist; oder vom Bürgerradio, an dem sie mitarbeitet.

„Zeit statt Zeug“

Grundsätzlich scheint Tamara Ströter eine Frau zu sein, die viel unternimmt, die das Gut „Zeit“ zu schätzen weiß. „Zu Weihnachten verschenken mein Mann und ich auch meistens Unternehmungen. Zeit statt Zeug.“ Denn was den meisten Menschen fehle, sei doch eben jene Zeit. „Alles andere haben wir doch sowieso schon“, sagt sie. Deshalb verbringt sie an Weihnachten genau diese Zeit mit ihren Liebsten im Gemeindehaus. Wenn sie dann nach Hause kommt, hat sie für alle Fälle aber doch vorgesorgt. „Ich habe einen Feuerlöscher und eine Löschdecke“, erzählt sie. „Aber die hatte ich auch schon, als ich noch sehen konnte.