Bochum. Ein barrierefreies Leitsystem hilft Sehbehinderten, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Doch viele wissen nicht, was es mit den Bodenplatten auf sich hat.
Rund 3000 Kilometer legen Werner Hirschmann und sein Labradorrüde Pinto im Jahr als Fußgänger zurück. Da Werner Hirschmann im Alter von 22 Jahren sein Augenlicht verlor, ist er auf Hilfe angewiesen. Führhund Pinto und ein Leitsystem für Barrierefreiheit sind seine wichtigstens Stützen im Straßenverkehr. „Taktile und kontrastierende Leitsysteme für blinde und sehbehinderte Menschen“ ist der Begriff, den der Erfinder sich dafür ausgedacht hat.
Dem sehenden Verkehrsteilnehmer fallen die geriffelten und genoppten Oberflächen im Alltag oft gar nicht auf, oder sie werden als optisches Auflockerungselement des Straßenbildes ohne weiteren Nutzen missverstanden. Doch für sehbehinderte Menschen stellen sie eine wichtige Orientierungshilfe dar. Noppenplatten etwa warnen vor Gefahrenstellen wie Treppen oder Straßenübergänge. Mit dem sogenannten Langstock können Sehbehinderte diese erfassen und wissen so, dass sie bald auf ein Hindernis stoßen werden.
Leitfaden "Barrierefreiheit Straßenraum"
Rillenplatten weisen die Richtung an. Bushaltestellen oder Ampeln sind damit ausgestattet, in Bochum wird schon seit längerem an der Barrierefreiheit gearbeitet. „Ende der 90er Jahre gab es noch gar keine einheitlichen Regeln oder Leitfäden dazu. Wir haben uns dann mit Blindenverbänden in Verbindung gesetzt, um in Bochum Einheitlichkeit zu schaffen“, sagt Susanne Düwel, Abteilungsleiterin Straße des Tiefbauamtes. Mittlerweile sind rund ein Drittel der Bushaltestellen in Bochum barrierefrei ausgebaut. Die Busse sind absenkbar, die Einstiegsfelder mit Noppenplatten markiert.
Seit 2009 existiert der Leitfaden „Barrierefreiheit Straßenraum“, erstellt vom Landesbetrieb Straßenbau in Kooperation mit mehreren Sehbehindertenverbänden. Nach diesem Leitfaden werden nun NRW-weit öffentliche Straßenräume barrierefrei gestaltet.
Kollision mit einem Außenspiegel
Werner Hirschmann ist einer derjenigen, die davon profitieren. Der Bezirksgruppenvorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bochum möchte Aufklärungsarbeit leisten, damit unbedachte Mitmenschen nicht aus Unwissen die taktilen Bodenelemente oder auch barrierefreien Gehwege verstellen oder blockieren. „Menschen mit Behinderung werden dadurch extrem in ihrer Mobilität eingeschränkt“, erklärt der 74-jährige Stiepeler. „Bei einem Hindernis auf dem Weg können zum Beispiel Rollstuhlfahrer nicht einfach vom Bordstein runter. Die müssen dann zurück bis zum nächsten Querungsbereich.“
Er erinnert sich an einen Vorfall, bei dem er mit dem Außenspiegel eines auf dem Gehweg geparkten Fahrzeugs kollidierte. „Der Fahrer stieg aus und blaffte mich an, wie ich denn sein Auto anrempeln könnte. Dass ich mich an seinem Außenspiegel verletzt hatte, interessierte ihn gar nicht. An auf dem Gehweg geparkten Autos habe ich mir schon so manchen blauen Fleck geholt.“