Velbert. Bisher erlebten die Velberter den Tunnel am Berg als trist. Am Wochenende verliehen Graffiti-Künstler aus ganz Deutschland ihm ein neues Outfit.

Ganz stolz zeigt Jolina auf ein kleines buntes Graffiti am Rande der Unterführung. „Das durfte ich ganz alleine machen“, sagt sie und strahlt über das ganze Gesicht, „ich finde, das sieht schon ganz schön aus, oder?“ Ihre Eltern sind ebenfalls begeistert. „Graffiti ist einfach eine unfassbar tolle Kunstform“, findet auch Mutter Andrea, während sie das lebendige Geschehen im Tunnel am Berg beobachtet. Für das bunte Treiben gibt es auch einen guten Grund.

Schließlich soll durch die Graffiti-Aktion am Samstag der bislang so triste Tunnel verschönert werden. Dafür widmen sich viele Künstler konzentriert den bereits in pastelligen Farben vorgestrichenen Wänden. Überall stehen massenweise Kartons mit Sprayflaschen herum, eine Kiste Cola, Campingstühle. Techno Beats hallen laut durch die Unterführung.

Ein Katzenkopf in türkis, umrahmt von pinkfarbenen Blüten

Spraver David lässt einen ausdrucksstarken Indianerkopf im Tunnel entstehen.
Spraver David lässt einen ausdrucksstarken Indianerkopf im Tunnel entstehen. © Uwe Möller

Michelle tritt einige Meter von der Wand zurück und betrachtet selbstkritisch ihr Werk: ein Katzenkopf in türkis, umrahmt von pinkfarbenen Blüten. „Ich sprühe erst seit einem Jahr“, erklärt die 23-Jährige, während sie sich für einen Augenblick den Mund- und Nasenschutz gegen den intensiven Lackgeruch vom Gesicht zieht, „das ist natürlich nicht so toll wie das der anderen Künstler, etwa von David. Ich denke, ich muss noch ein wenig daran feilen.“

David gehört zum stadtbekannten Graffitiduo „Artletics“, das von den Technischen Betrieben Velbert (TBV) den Auftrag zur Tunnelverschönerung erhalten hatte. Weil er gemeinsam mit Kumpel Tarik die ganze Fläche nicht alleine gestalten kann, hat er jede Menge gute Künstler aus der Szene zusammengetrommelt – von Hamburg bis München. „Vorgaben haben wir keine gemacht, wir wollen ja niemanden in seiner künstlerischen Freiheit einengen. Die einzige Auflage war, dass das Gesamtbild hell und freundlich wird“, sagt TBV-Mitarbeiterin Swetlana Kebsch, die die Arbeiten aufmerksam verfolgt, „und wir sind uns auch sicher, dass die Neugestaltung sehr gut angenommen wird. Zumindest scheint es so, wenn man die Einträge in den sozialen Netzwerken verfolgt.“

Auch ein älterer Herr findet die Aktion super

„Artletics“ bietet regelmäßig Workshops an

Graffiti gilt als Straßenkunst, bei der thematische Elemente wie Schriftzüge, Zeichen oder Bilder durch verschiedene Techniken auf Oberflächen im privaten und öffentlichen Raum aufgesprüht werden.

Das Velberter Graffitiduo „Artletics“ bietet im Rahmen des städtischen Kulturrucksacks regelmäßig in den Ferien Workshops an. Weitere Infos: www.art-letics.de.

Ein älterer Herr beobachtet, wie Sprayer „Eros“ an seinem Kunstwerk feilt, kleine Korrekturen vornimmt, immer wieder die Farben wechselt. „Das ist toll, was die jungen Leute hier machen“, lobt er und geht dann schnell weiter Richtung Ausgang, „nur der Geruch ist ja kaum auszuhalten“.

David freut sich auch sehr über das positive Feedback der Menschen, die vorbeischauen. „Wir wissen, dass Graffitis nicht jedermanns Sache, aber es geht um den Gesamteindruck, nämlich dass der Tunnel hell und freundlich wird und niemandem mehr Angst hat oder sich unwohl fühlt.“

Szene kämpft nach wie vor gegen einen schlechten Ruf

Dieses Werk hat Sprayer „Kaser“ in dem Fußgängertunnel am Berg hinterlassen.
Dieses Werk hat Sprayer „Kaser“ in dem Fußgängertunnel am Berg hinterlassen. © Uwe Möller

Nach wie vor kämpft die ganze Szene gegen einen recht schlechten Ruf an, viele Bürger assoziieren mit der Spraykunst illegale, unprofessionelle Schmierereien an Garagentoren oder Autobahnbrücken. „Von solchen Leuten distanzieren wir uns ganz massiv“, betont „Eros“ während einer kurzen Pause und putzt sich die Hände an der farbverschmierten Hose ab. „Das, was wir hier machen, ist Kunst auf hohem Niveau, wir wollen verschönern und nicht beschmieren. Und wir haben Respekt vor dem Eigentum anderer und freuen uns riesig über diesen Auftrag“, meint er.

Endlich könnten sich Sprayer mal richtig ausleben und müssten nicht in Großstädte fahren, die offizielle Flächen permanent zur Verfügung stellen, sagt David weiter und ergänzt: „Es wäre toll, wenn wir hier solche sogenannten Halls of Fame auch zur ständigen und freien Verfügung hätten.“