Neviges. Im Fall Kassandra S. durchkämmte die Polizei am Freitag systematisch das Gelände rund um die Turnhalle Tönisheider Straße, hinter der das neunjährige Mädchen im Kanalschaft gefunden wurde. Auch Anwohner wurden befragt. Polizei zeigt starke Präsenz.
Um kurz nach halb elf wurden gestern die Kettensägen angeworfen. Mitarbeiter der Technischen Betriebe waren zur Halle Tönisheider Straße gekommen, um den Tatort weiträumig von Büschen und Gestrüpp zu befreien. Kaum war das geschehen, kehrten die Fachleute der Spurensicherung zurück an die Stelle, wo in der Nacht von Montag auf Dienstag die neunjährige Kassandra aus einem Kanalschacht gezogen worden war. „Wir hoffen, dass die durch Regen und Suchtruppspuren ziemlich verwüstete Fundstelle nach der Entgrünung doch noch wichtige Hinweise für unsere Spezialisten bereit hält”, sagte Polizeisprecher Ulrich Löhe.
Die Kreispolizei nutzte das Sonnenwetter gestern für mehrere großangelegte Einsätze. Um 10 Uhr rückten zwei Einsatzhundertschaften aus Bochum und Essen an, um aufgeteilt in kleinere Gruppen den Heimweg Kassandras von der Turnhalle bis zu ihrem Elternhaus am Kirchplatz systematisch nach Indizien abzusuchen. Beide Straßenseiten entlang durchsuchten die Beamten Büsche, wühlten im Laub, inspizierten Unterholz. „Vielleicht finden wir Gegenstände, die dem Opfer oder dem oder den Tätern gehören”, hoffte Löhe.
Auf Hochtouren
Die Fahndung läuft auf Hochtouren: Nachdem gestern bekannt wurde, dass das künstliche Koma von Kassandra zwar beendet wurde, das Mädchen jedoch noch nicht aufgewacht ist, ist die Mordkommission, die mittlerweile auf über 20 Mitarbeiter aufgestockt worden wurde, weiterhin auf Informationen von außen angewiesen. Immer wieder kommen Hinweise, denen die Polizei nachgehen muss: So prüfen die Fahnder zurzeit Zeugenaussagen von NTV-Sportlerinnen, die am Montagabend in der Halle trainierten und Kindergeschrei gehört haben wollen.
Mittags begannen Polizeibeamte, 500 Fahndungszettel in Neviges zu verteilen, ab Nachmittag patrouillierten erneut zwei Staffeln der Landesreiterstaffel in der Gegend um das Schloss Hardenberg, um mit Spaziergängern in Kontakt zu kommen. „Wir haben die Polizeipräsenz seit Wochenbeginn in Neviges erheblich ausgebaut”, berichtete Ulrich Löhe. So soll zunächst einmal der Bevölkerung signalisiert werden, dass die Polizeiarbeit in dem Kriminalfall weitergeführt werde. Und, so Löhe: „Es ist nicht auszuschließen, dass der oder die Täter in Neviges leben. Wir erhöhen mit unserer Anwesenheit und Aktivität auch den Druck.” Auch das Dauerinteresse der Presse bleibe für die Fahndung außerordentlich wichtig.
Hausbefragung
Mittags schickte die Polizei Velbert ihre Einsatzbereitschaft in den Stadtteil. Zwar hatte die Kripo bereits unmittelbar nach Kassandras Auffinden Nachbarn aus der unmitelbaren Umgebung befragt. Doch gestern stand eine groß angelegte Hausbefragung auf dem Plan. „Wir haben berechtigte Hoffnung, auf diese Weise noch an wichtige Hinweise zu kommen”, so Löhe. Viele Menschen, sagte der Polizeisprecher, scheuten den Kontakt zur Polizei. „Auch wenn sie etwas gesehen oder gehört haben, geben sie solche Informationen nicht unbedingt weiter. Unsere Beamten suchen an der Haustür das Gespräch, bitten um Hilfe. Oft erwähnen die so Befragten während eines Small-Talks beiläufig Details oder Alltagsbeobachtungen, die für uns wichtig sein können.” Vielleicht ein Fahrzeug mit ortsfremdem Kennzeichen, das vor Tagen aufgefallen ist. Vielleicht Unbekannte, die sich auffällig in der Gegend verhalten hätten. Es gelte dabei aber stets das Prinzip der Freiwilligkeit. Löhe: „Wer nicht mit uns sprechen möchte, muss das nicht tun.”
Mühsame Suche
Eine mühsame Suche. Doch der Schlüssel zur Aufklärung liegt wohl beim Opfer selbst. Wenn Kassandra aufwacht, könnte sie bei der Identifizierung des Täters die zentrale Rolle spielen. Daher wird das Kind im Uniklinikum Essen auch rund um die Uhr von Polizisten bewacht.