Velbert. . Bald nachdem Martin Luther seine 95 Thesen verfasst hatte, kamen Protestanten nach Velbert. Doch zunächst gab es kein christliches Miteinander.

  • Nachdem Martin Luther 1517 seine 95 Thesen verfasst hatte, kamen rasch Protestanten nach Velbert
  • Doch schon bald stritten Lutheraner und Reformierte um die Vorherrschaft in der Stadt
  • Der Zwist mündete sogar in eine Schlägerei, die vor Gericht landete - 1862 erfolgte aber die Einigung

Als Martin Luther vor 500 Jahren die Reformation mit seinen 95 Thesen auslöste, da dauerte es nicht lange, bis die neue Konfession in Velbert ihren Siegeszug antrat: Bereits 1548 wurden die ersten evangelisch-lutherischen Gottesdienste in der Stadt gefeiert, gerade zwei Jahrzehnte später gab es in Velbert keine Katholiken mehr. Dafür tauchten immer mehr reformierte Protestanten auf. Das wiederum führte zu einem rund 200-jährigen Bruderstreit mit einem buchstäblichen Hauen und Stechen.

Tote mussten bis nach Werden getragen werden

Doch der Reihe nach, ganz so schnell lässt sich die Geschichte der evangelischen Gemeinde in Velbert natürlich nicht erzählen. Ihren Lauf nahm die Reformation ab 1529, wie der Gemeinde-Archivpfleger Dr. Ingomar Haske erläutert: „Damals haben sich die Bauern beschwert, dass in Velbert nur selten Messen gefeiert wurden.“ So mussten sie etwa ihre Babys für Taufen oder ihre Toten zur Beerdigung bis zur zuständigen Pfarrkirche St. Clemens am Born in Werden tragen.

Der Herzog von Berg erlaubte den Velbertern darauf, ihre Toten auf einem eigenen Kirchhof an der ehemaligen Ida-Kapelle zu bestatten (auf dem Fundament der Kapelle steht heute die von 1766 bis 1769 erbaute Alte Kirche am Offers­platz). Auch nahm die Zahl der Gottesdienste zu.

Von 1618 bis 1620 kam es zur „streithaften Auftrennung“

Im Klima der religiösen Toleranz unter dem liberalen Herzog Wilhelm V. trat 1560 der katholische Vikar Winmar Schönfeld mit den Bauern des Kirchspiels Velbert zum lutherischen Glauben über. Doch dann kam Konkurrenz aus dem eigenen Hause: „1589 tagte in Neviges die erste bergische Synode der Reformierten, in Langenberg wurde 1580 der erste reformierte Gottesdienst abgehalten“, sagt Haske.

Die evangelische Alte Kirche wurde
Die evangelische Alte Kirche wurde © Alexandra Roth

Da ließen Konflikte nicht allzu lange auf sich warten: Von 1618 bis 1620 erfolgte sogar die „streithafte Auftrennung“ der Gemeinde in die lutherische und die reformierte Gemeinde. „Es gab einen Wust an Zwistigkeiten, jeder strebte die Vorherrschaft an“, erläutert der Archivpfleger – und Jürgen Buchholz, Superintendent des Kirchenkreises Niederberg, ergänzt: „Das waren zwei verschiedene Konfessionen.“

Pfarrer mussten nach Schlägerei Strafen zahlen

Die Reformierten feierten ihre Gottesdienste an der Offerstraße gleich neben der lutherischen Kirche und „sangen laut und störten so den anderen Gottesdienst“, schildert Ingomar Haske. 1698 mündete der Streit dann in eine handfeste Schlägerei. Per Gerichtsurteil musste der lutherische Pfarrer 100 Gulden und sein reformierter „Amtskollege“ 20 Gulden Strafe bezahlen.

Zudem durften die Lutheraner den Reformierten nicht mehr den Zutritt zur Kirche verweigern, die Kosten für den Unterhalt des Gottesdienstes wurden je zur Hälfte aufgeteilt. Und: „Fortan feierten dort sonntags die Lutheraner ihre Gottesdienste von 8 bis 10 Uhr und die Reformierten von 10 bis 12 Uhr“, schildert Superintendent Buchholz.

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Vereinigung der beiden Gemeinden erfolgte 1862

Damit war der Zwist nicht aus der Welt: 1731 etwa installierten die Lutheraner in der Kirche eine Orgel, die von den Reformierten nicht mitbenutzt werden durfte. Auch hier musste ein Gerichtsurteil für Klarheit sorgen, damit die Reformierten 1829 ihre eigene Orgel in die neu errichtete Kirche einbauen durften. In diese Zeit fiel aber die Annäherung der zwei Konfessionen: Beide Gemeinden traten 1824 der evangelischen Union bei, die der preußische König Friedrich Wilhelm III. angeordnet hatte – jedoch noch getrennt voneinander.

Bis Misstrauen und Zank vollständig gewichen waren und beide Gemeinden einen Einigungsvertrag unterschreiben konnten, sollte es allerdings noch dauern: 1862 vereinigten sich die Lutheraner und die Reformierten endgültig zur „unierten Kirche“. Trotzdem gab es in dieser Zeit wiederum zwei große Konfession in der Stadt: Im Zuge der Industrialisierung kamen erneut Katholiken nach Velbert.

>>LANDESKIRCHE IN VELBERT GEGRÜNDET

  • Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Velbert eine wichtige Rolle für die Protestanten. Denn: „Hier wurde 1948 die evangelische Kirche im Rheinland gegründet“, berichtet Jürgen Buchholz, Superintendent des Kirchenkreises Niederberg. Bis 1950 fanden auch drei Synoden der Landeskirche in der Stadt statt.
  • Das dritte Treffen endete allerdings in einen großen Streit: „Die Synode fand damals ein unrühmliches Ende, weil die Landeskirchenkasse sich weigerte, die Kosten für einen Posten Koks zu übernehmen“, schildert Buchholz weiter. Der Streitwert: Genau 170,43 D-Mark.
  • 1958 wurde die evangelische Gemeinde in Velbert aufgeteilt. Seitdem gibt es nebeneinander die Kirchengemeinde Dalbecksbaum sowie die Kirchengemeinde Velbert. 2004 wurde die Thomaskirche als Predigtkirche aufgegeben – 2009 diente auch die Johanneskirche als Predigtkirche aus.