Oberhausen. . Vor 75 Jahren entdeckte der Mülheimer Chemiker Otto Roelen im Oberhausener Ruhrchemie-Werk die Oxo-Synthese. Diese chemische Zusammensetzung ist heute das Rückgrat des Weltkonzerns Oxea. Und nicht nur das: Ein Bisschen Roelen steckt in jeder Plastiktüte und jedem Parfüm.
Sie sind in Aroma- und Duftstoffen, Handcremes, Schuhsohlen, Folien, Autos, Kühlgeräten, Waschmitteln oder Flugzeugen zu finden – und die Liste ließe sich nahezu unbegrenzt fortsetzen. Die Rede ist von den chemischen Zwischenprodukten, die im Oberhausener Oxea Werk Ruhrchemie hergestellt werden.
Vor 75 Jahren, genau am 20. September 1938, meldete Otto Roelen, damaliger Forschungsleiter der Ruhrchemie AG und Doktor der Chemie, das Patent zur Entdeckung der sogenannten Oxo-Synthese an. Mit einer Sonderausstellung im LVR-Industriemuseum an der Hansastraße, die bis zum 27. Oktober zu besuchen ist, und einer großen, zweitägigen Festveranstaltung feiert das Unternehmen diese bedeutende Errungenschaft der modernen industriellen Chemie.
Beim Rundgang durch die Ausstellung in der oberen Etage des LVR-Museums fällt dem interessierten Betrachter sofort die gläserne Vitrine auf, in der einige Anwendungsbeispiele ausgestellt sind. Ob Duschgel oder Plastiktüte, Kassenquittungen, Megaperls oder DVD-Hüllen – Oxo-Produkte begleiten den Verbraucher rund um die Uhr, bei der Arbeit, in der Freizeit, zu Hause, im Urlaub.
Stadt benannte Straße nach bekanntem Chemiker
Aber auch das Oxea-Werk in Holten wäre ohne die bedeutende Entdeckung der Oxo-Synthese heute nicht das, was es ist. Denn sie bildet die Grundlage für einen Markt von weltweit über 12 Millionen Tonnen jährlich an Oxo-Produkten und deren nachfolgende Derivate. „Die Oxo-Synthese ist das Rückgrat der Oxea“, betont die Sprecherin des Unternehmens, Birgit Reichel.
Auf einer Schautafel wird erklärt, wie die Oxo-Synthese funktioniert. Alte Fotos, zum Beispiel aus dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut in Mülheim (heute Max-Planck-Institut), an dem Roelen einst promovierte, erinnern an die beruflichen Anfänge des bedeutenden Forschers und Praktikers. Ausgestellt ist auch ein Straßenschild der ehemaligen Bruchstraße, die 1994 in Otto-Roelen-Straße umbenannt wurde.
Bronze-Tafel erinnert an Leistung
Im Rahmen der großen Festveranstaltung, zu der über 200 Geschäftspartner und Freunde der Oxea eingeladen waren, gab es zwei besondere Auszeichnungen: der langjährige Forschungsleiter im Oxea Werk Ruhrchemie, Prof. Boy Cornils, erhielt die Otto-Roelen-Sondermedaille für sein Lebenswerk. Sie wird seit 1997 für herausragende wissenschaftliche Leistungen vergeben. Ausgezeichnet wurde auch das Oxea Werk, als „Historische Stätte der Chemie“.
In Anwesenheit von Oberbürgermeister Klaus Wehling, Prof. Michael Dröscher von der Gesellschaft Deutscher Chemiker sowie Dr. Georg Dämbkes (Globaler Produktionsleiter der Oxea) wurde eine 25 Kilogramm schwere Bronze-Gedenktafel am Eingang des Verwaltungsgebäudes angebracht. „Es ist neben dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim erst die zweite Stätte dieser Art in ganz NRW“, sagte Reichel.
Otto Roelen: Seine bdeutendste Entdeckung war ein Zufall
Otto Roelen, der Mann, der die Oxo-Synthese entdeckte, wurde am 22. März 1897 in Mülheim geboren. Seine Eltern gehörten zur wohlhabenden Mittelschicht. Roelen besuchte das Königliche Realgymnasium und machte 1914 Abitur. Zum Sommersemester 1915 nahm er als erster aus seiner Familie ein Studium auf und schrieb sich an der TH München für Chemie ein. 1915 jedoch wurde er zur Marine eingezogen. 1918 setzte er sein Chemiestudium an der TH Stuttgart fort, das er 1922 mit der Diplom-Hauptprüfung abschloss.
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m selben Jahr bewarb er sich beim Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung (KWI) in Mülheim um ein Promotionsthema. Nach seiner Promotion 1924 arbeitete Roelen beim KWI als wissenschaftlicher Assistent. Dort brachte er es bis zum Stellvertreter des Institutsdirektors. Bei vielen Entwicklungen spielte er eine bedeutende Rolle. 1934 wurde er für die Betreuung des im Bau befindlichen Treibstoffwerkes der Ruhrchemie AG abgeworben.
Roelens bedeutendste Entdeckung war die Oxo-Synthese. Wie er 1977 selbst beschrieb, handelte es sich dabei um einen Zufalls. Am 19. September 1938 meldete die Patentabteilung der Ruhrchemie ein „Verfahren zur Herstellung von sauerstoffhaltigen Verbindungen“ zum Patent an. Diese führte auch die bis heute gebräuchliche Kurzbezeichnung Oxo-Synthese ein.
Roelen wurde kein Millionär
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Otto Roelen von der Britischen Militärverwaltung zur Befragung nach Wimbledon gebracht, ab 1946 war er wieder bei der Ruhrchemie beschäftigt. Am 31. März 1962 trat er in den Ruhestand.
Weit über 110 Patentschriften nennen Otto Roelen als Erfinder oder Miterfinder. Dennoch wurde er kein Millionär, da die meisten Erfindungen nach 1945 im Ausland lizenzfrei verfügbar waren; zudem handelte es sich um Diensterfindungen.
Mit 94 Jahren heiratete Roelen seine langjährige Bekannte Helga. Er starb am 30. Januar 1993 in Bad Honnef, er wurde im Familiengrab in Wickrathberg bei Mönchengladbach-Beckrath beigesetzt.