Oberhausen. . Ärger um eine Verwarnung in Oberhausen: Dort soll eine Frau zahlen, weil sie kranken Mann zum Sterkrader Ärztehaus vorfuhr.
Wie schnell ist eigentlich Schrittgeschwindigkeit? Die Mitarbeiter des Oberhausener Ordnungsamtes jedenfalls verfügen offenbar über die Gabe, eine Überschreitung selbst dann zu erkennen, wenn der Zeiger des Tachos so flach bleibt, wie der Atem eines Igels im Winterschlaf.
Waltraud M. kann dieses Talent bezeugen, denn nachdem die 71-Jährige ihren gehbehinderten Mann morgens um halb neun mit dem eigenen Pkw zum Sterkrader Ärztehaus gebracht hatte, flog wenige Tage später eine Verwarnung ins Haus.
Wegen Überschreitung der Schrittgeschwindigkeit und Einfahrens in die Fußgängerzone soll die 71-Jährige nun 15 Euro zahlen. Letzteres sieht Waltraud M. zwar ein, obgleich sie sich schon fragt, „wie hätte ich meinen Mann mit schwerem Bandscheibenvorfall denn sonst zum Ärztehaus bringen können? Er kann keine 50 Meter laufen.“ Doch über die Anmerkung im Schreiben zur Schrittgeschwindigkeit ist sie noch mehr verblüfft.
Schrittgeschwindigkeit definieren Polizei und Rechtsprechung jeweils anders
Schrittgeschwindigkeit ist Ansichtssache: Das Internetlexikon Wikipedia etwa definiert sie als „eine relativ niedrige Geschwindigkeit, mit der ein gesunder, erwachsener und durchschnittlich voran schreitender Fußgänger mithalten könnte“. Oder kürzer gesagt: 3,6 Stundenkilometer. Die Rechtsprechung verortet sie irgendwo zwischen fünf und zehn Stundenkilometern. Für die Oberhausener Polizei liegt sie hingegen bei vier bis sieben Stundenkilometern – „bei einem normalen Fußgänger, der nicht plaudernd durch die Gegend schlendert“, so zieht ein Sprecher der Oberhausener Polizei den Vergleich.
Doch dieser Bereich ist im Alltag kaum messbar, aus praktikablen Gründen legt die Polizei deshalb zehn Stundenkilometer als Richtwert fest. Oder gar folgende alltagstaugliche ,Formel’: „Wenn ein Auto einen normal laufenden Fußgänger überholt, ist eindeutig die Schrittgeschwindigkeit überschritten. Wenn wir das mitbekommen, können wir den Autofahrer anhalten und verwarnen“, sagt der Pressesprecher der Polizei.
Gesehen hat Waltraud M. an jenem Tag jedoch keinen Ordnungshüter, angesprochen wurde sie auch nicht – was indirekt wohl für ein überhöhtes Schritttempo sprechen könnte, überlegt die Dame mit einem feinsinnigen Lächeln.
Auf Anfrage dieser Zeitung beharrt die städtische Verwaltung jedoch darauf, dass die überhöhte Schrittgeschwindigkeit nicht der eigentliche Vorwurf sei, sondern das Einfahren in die Fußgängerzone. Denn nur Waren dürften dort be- und entladen werden. Wer zum Ärztehaus wolle, müsse leider ins Parkhaus am Kaufland fahren und von dort laufen, so ein Sprecher der Stadt.