Oberhausen. Detlef Weirich überzeugt Physiotherapeuten Alex Hendrixen zum Umbau seiner Praxis. Das allein reicht aber nicht.
„Wir müssen Barrierefreiheit in den Köpfen der Menschen erreichen“, sagt Detlef Weirich vom Verein „Multiple Sklerose“ Oberhausen und Mitglied im Beirat für Menschen mit Behinderung. Dann, so Weirich, würden sich die Verantwortlichen selbstverständlich darum bemühen, Barrieren für Behinderte zu beseitigen.
Solange das nicht der Fall sei, setze er sich weiter dafür ein, dass Anreize geschaffen werden, Arztpraxen und Therapieeinrichtungen behindertengerecht umzubauen. So wie die Physiotherapiepraxis Hendrixen in Schmachtendorf.
Signet muss überarbeitet werden
Ein Signet „Barrierefreies NRW“ wurde bereits entwickelt, es müsse allerdings noch überarbeitet und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden, sagt Weirich. Doch sieht er in einem solchen Signet eine Möglichkeit, die Motivation zum Umbau von Praxen zu erhöhen: „Wenn allerdings eine Praxis im ersten Stock ohne Aufzug liegt, nutzt das alles nichts“, gibt er zu bedenken.
Seit mehr als 30 Jahren leistet Detlef Weirich, der selbst aufgrund seiner MS-Erkrankung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, Überzeugungsarbeit, um das Leben für Behinderte zu erleichtern. Bei Alex Hendrixen fand er für seine Vorschläge ein offenes Ohr.
„Bei uns gab es keine automatisch öffnende Tür“, gibt der Therapeut zu. Nun sorgt die entsprechende Technik dafür, dass sich die Eingangstür öffnet, wenn jemand davor steht: „Dafür mussten wir rund 20.000 Euro investieren“, rechnet Hendrixen vor. Davon profitieren nicht nur Rollstuhlfahrer: „Wir haben hier einige Mütter, die mit Kinderwagen kommen, und Menschen mit Rollatoren.“
Essen ist weniger barrierefrei
Doch nicht alle Maßnahmen seien so teuer, manchmal reiche es, Mobiliar einfach umzustellen, um Wege zu vereinfachen. „Und manchmal kann man mit einem einfachen Motor aus dem Möbelmarkt eine Küche höhenverstellbar machen“, verrät der Therapeut.
Ins Untergeschoss zu den Trainingsgeräten führt ein Treppenlift. „Mit solchen Maßnahmen erreichen wir, dass sich unsere behinderten Patienten gleichgestellt fühlen“, erklärt Hendrixen den Umbau, zu dem auch eine behindertengerechte Toilette gehört.
Nicht alle Praxen im Stadtgebiet jedoch sind derart ausgestattet. Obwohl Oberhausen insgesamt recht gut dastehe, wie Detlef Weirich betont: „Meines Wissens ist Essen nicht so barrierefrei wie Oberhausen. Dennoch dürfen wir nicht nachlassen und müssen weiter dafür kämpfen, dass Behinderte in unserer Stadt so selbstständig wie möglich leben können.“
Barrieren auch in den Köpfen abbauen
Der Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderungen, Hans-Jürgen Nagels (CDU), ergänzt: „Die Erreichbarkeit von Praxen und Geschäften ist eine Sache. Genauso wichtig ist es aber, die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Dazu gehört, Internetauftritte zu überprüfen.“ Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein hat eine Liste zusammengestellt mit Praxen, die für Behinderte gut erreichbar sind, so Nagels. „Aber auch Behindertentoiletten müssen leichter zugänglich sein. Diesbezüglich führen wir Gespräche mit der OGM.“
Dazu gehöre, dass eine Panne beim Bau der Rehberger-Brücke am Kaisergarten behoben werde. Nagels: „Dabei hat die Emschergenossenschaft viel Geld ausgegeben, aber vergessen, dass es Blinde gibt. Wir haben angeregt, Kuben mit Blindenschrift-Informationen zu errichten. Aber das kostet ja.“ Stattdessen empfahl er der TMO und der OGM ein System zu installieren, wie es in Aachen längst funktioniere: „Blinde können übers Handy eine Stadtführung erhalten.“ Seit sechs Monaten warte er nun schon auf eine Antwort der TMO.
Keine öffentlichen Zuschüsse
Ein Stolperstein auf dem Weg zu mehr Behindertenfreundlichkeit kann die Tatsache sein, dass es für den Umbau von Praxen und Geschäftsräumen keine öffentlichen Zuschüsse gibt. Anders bei Privatwohnungen: Hier werden bei bestimmten Behinderungen Zuschüsse etwa für den Umbau eines Badezimmers gewährt, so Nagels.
Die Kriterien für die Vergabe des vor einigen Jahren entwickelten Signets „Nordrhein-Westfalen ohne Barrieren“ sollen aus Sicht der Betroffenen verschärft und erweitert werden. Dem schloss sich der Vorsitzende des Landesbehindertenbeirats, Norbert Killewald, an: „Bis Ende dieses Jahres sollen sowohl die Kriterienkataloge für das Signet überarbeitet sowie eine zentrale Datenbank zum Thema Barrierefreiheit entwickelt werden. In dieser Datenbank soll beispielsweise erfasst werden, was Menschen mit Behinderung vor Ort vorfinden, um Besuche im Vorfeld planbarer für sie zu gestalten. Federführend ist das Ministerium Arbeit, Integration und Soziales.“ Erst wenn diese Abrieten beendet seien, werde das neue Signet vergeben. Info: www.lbb.nrw.de.