Oberhausen. .
Wer mit Alfred Lindemann unterwegs ist, wandelt mit Schritt und Tritt zwischen den Zeiten. Gestern, heute, morgen: für den Hobbyhistoriker aus Leidenschaft eine Folge logischer Konsequenzen. Das gilt besonders für seine Heimat – die Schwarze Heide.
1936 wurde Lindemann in der Hagedornstraße geboren, mit dem Kapuziner-Kloster ist er großgeworden. Hier wurde er getauft, hat er geheiratet, vor eineinhalb Jahren die Goldene Hochzeit gefeiert. „Für uns Katholiken ist es das Zentrum des Ortes“, betont Lindemann. Genauso halt wie für die Mitglieder der evangelischen Gemeinde das Gemeindezentrum Schwarze Heide.
Der evangelische und der katholische Pfarrsaal seien für die Menschen auf der Schwarzen Heide schlicht Glücksfälle, denn andere größere Veranstaltungsorte gebe es im Ort nicht mehr. „Wenn wir vom Männer-Quartett Sterkrade-Heide zum Frühschoppen einladen, geht es im Kloster rund wie auf der Sterkrader Kirmes“, erzählt Lindemann stolz. Nur junge Leute ließen sich leider kaum blicken. „Die kriegen wir kaum dazu, sich zu engagieren“, bedauert er.
Im Gegenteil: Zwei Tage hintereinander sei der alte Friedhof hinter dem Kloster nun schon beschädigt worden. Die Blumenschalen seien kaputt geschmissen worden, die Grablichter wurden rausgerissen, die Grabsteine beschädigt, in die Kindertagesstätte Liebfrauen sei eingebrochen worden. Und an der Bushaltestelle ging einmal mehr das Glas zu Bruch.
„So geht das nicht weiter“, ergänzt ein Bekannter von Lindemann im Vorbeieilen. Er hat gerade Anzeige erstattet, hat – was den Vandalismus betrifft – eine bestimmte Gruppe junger Leute im Verdacht. Lindemann beschwichtigt: „Wir haben doch früher auch mal Quatsch gemacht.“ Über die Klostermauern seien sie als junge Burschen nach der Messe geklettert, hätten den Patres die Äpfel und Birnen stibitzt.
Zu wenig Angebote für Jugendliche
Woher die Probleme mit den Jugendlichen heute kämen? „Aus Langeweile“, tippt Lindemann. Es gebe für Jugendliche nur wenig Angebote auf der Schwarzen Heide, keinen wirklichen Jugend-Treff mehr. „Da müsste mehr getan werden.“ Doch das sei nicht das einzige Problem, mit dem der Ort kämpfe: „An der Neumühler Straße, das ist unsere Einkaufsstraße, gibt es zwar noch einen Friseur, einen Bäcker, einen Metzger, eine Fahrschule, aber viel mehr ist da nicht los.“
Lindemann schlägt vor: „Die Straße müsste beruhigt werden, außerdem fehlen Parkplätze – und dann überall diese Schlaglöcher, schlimm!“
Stadtteilrundgang Schwarze Heide
Er wünscht sich wieder mehr Leben für die Schwarze Heide. Weil es sich lohne, der Ortsteil viel zu bieten habe. „Das Leben ist beschaulich, Bauer Hagedorn lässt sein Vieh noch auf einer Wiese im Ort Grasen.“ Zudem gebe es tolle Radwege, vorbei an der Zeche Sterkrade durch herrliche Landschaften in Alsfeld.
Ach ja, die Zeche Sterkrade, die könnte man doch zu einem Veranstaltungsort für beide Ortsteile ausbauen, meint Lindemann. An Ideen mangelt es ihm nicht. Er ist froh, dass beiden Söhne und die vier Enkel seine Liebe zur Schwarzen Heide teilen und in unmittelbarer Nachbarschaft leben. Lindemann ist überzeugt: „Wir müssen alles dafür tun, dass die jungen Leute gerne hier wohnen bleiben.“
Neues Leben für ein altes Kloster
„Die Schwarze Heide und die Weierheide liegen geographisch und geologisch im Übergang der Niederterrasse zur Mittelterrasse, einer dreistufigen Erhebung vom Rhein zu den östlich gelegenen Hochlagen Schmachtendorf, Königshardt und Klosterhardt“, erläutert Lindemann. Diese lägen rund 30 bis 40 Meter höher. Die Böden der Schwarzen Heide bestehen aus Lehm und schwarzem Bruchboden – sie neigten zur Heidebildung. „Das von der höheren Terrasse herablaufende Regen- oder Bachwasser von Marienbach, Alsbach und Handbach blieb zum Teil als Grundwasser an der Oberfläche stehen und bildete sumpfige Bruchweier und Waldteiche“, führt Lindemann aus. Daher stammten die Namen „Waldteich“, „Weierheide“.
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Bis Ende des 19. Jh. war die Heide, abgesehen von wenigen Höfen, kaum bewohnt. Doch als die Bevölkerung der Sterkrader Innenstadt wuchs, siedelten sich Landbürger und Arbeiter auch hier, westlich des Sterkrader Bahnhofes an.
Zu dieser Zeit gab es in Sterkrade nur eine Pfarrgemeinde, die von St. Clemens. Unter dem Vorsitz des Landwirtes Wilhelm Hagedorn traf sich im Mai 1896 ein Komitee zur Errichtung einer eigenen Kirche. „Weil die Leute arm waren und fürchteten, die Mittel für Kirche samt Geistlichem nicht aufbringen zu könen, kamen sie auf die Idee, an eine Klostergemeinschaft heranzutreten.“ Der St. Josef-Kirchbau-Verein wurde gegründet, der Kontakt zu den Kapuzinern in Münster aufnahm. Die Landwirte Wilhelm Hagedorn und Heinrich Schäfer schenkten für den Kirchbau 2,5 Morgen Land. Die Weihe des Klosters St. Marien war im Juni 1902. 1946 wurde das Kapuzinerkloster in Liebfrauen umbenannt.
Viele Veranstaltungen im Klosterhof
Als die Kapuziner das Kloster 2002 verließen, wollten die Menschen dem Kloster neues Leben einhauchen. Es ist ihnen gelungen. Im Klosterhof finden im Sommer zahlreiche Abendveranstaltungen statt, die Musikschule hat sich in den alten Zellen ausgebreitet, die katholische Bücherei ist hier ebenso beheimatet wie das Pfarrgemeindebüro. Aber auch die KAB trifft sich dort, die Kolpingfamilie, Gymnastikgruppen. Zwei Wohnungen gibt es ebenfalls – für die zwei Geistlichen der Gemeinde.
Auf der Schwarzen Heide leben laut Statistikamt 5370 Menschen. Rund 12 Prozent sind Kinder bis 13 Jahre, 57 Prozent sind zwischen 25 und 64 Jahre alt, nur 17 Prozent älter als 65. Die Arbeitslosenquote liegt mit 7,7 Prozent im oberen Mittelfeld der nördlichen Stadtteile. Auf Schwarze Heide leben mehr Menschen katholischer Konfession (40 Prozent) als evangelischer (25 Prozent). Oberhausener ziehen vermehrt aus dem Stadtteil weg (2011: 95 Fortzüge mehr als Zuzüge), Auswärtige schätzen das Wohngebiet.