Oberhausen. Werkstattjahr der Ruhrwerkstatt gibt über Texte und Collagen Einblicke in eigene Erfahrungen. Ausstellung „Was’n Opfer“ ist ab sofort im Bert-Brecht-Haus zu sehen. Die Szenen auf den Fotos sind gestellt, geschauspielert. Aber trotzdem ganz nah an der Realität.

Unfassbarem ein Gesicht geben: 18 Jugendliche nutzten dafür als Brücke die Kunst der Collage. Wie sie Gewalt erleben, zeigen sie jetzt in der dritten Etage des Bert-Brecht-Hauses in ihrer Ausstellung „Was’n Opfer“.

Die Szenen auf den Fotos sind gestellt, geschauspielert. Das betont Projektleiter Jörg Briese (Presseclub Oberhausen). Und dennoch haben die Bilder auch viel mit den Jugendlichen selbst zu tun, die allesamt gerade ein Werkstattjahr in der Ruhrwerkstatt absolvieren. Mal, weil sie Familienangehörige in den Krisengebieten der Welt haben. Mal, weil sie die Bilder in den Medien verfolgen. Mal, weil sie selbst Opfer oder Täter waren.

Jugendliche hinterfragen kritisch

Zu Beginn des Projektes eskalierte gerade der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Und so zeigt das Foto von Renat einen Jugendlichen, der mit der Waffe auf den Kopf eines anderen zielt. Dazu dichtete der 16-Jährige: „Krieg, Menschen sterben, Städte gehen kaputt, viele Menschen leiden gewaltig, Waffenstillstand.“

Hossam Ali, Leiter des Werk-stattjahres, weiß: „Die Jugendlichen haben auch die Rolle der Medien kritisch hinterfragt, die sich fast täglich in einer grotesken Spirale mit immer brutaleren Bildern zu übertreffen versuchen.“ Der Blick in den Spiegel macht nachdenklich: „Deutschland liefert in viele Krisenregionen Waffen, griff militärisch in Afghanistan ein, aber wenn sich die Jugendlichen hier prügeln, kriegen sie richtig Ärger“, beschreibt Briese nur einen Gedankengang seiner Projektteilnehmer.

Mobbing im Internet

Chantal dagegen hat sich mit ihrer eigenen Schulzeit auseinandergesetzt. Ein Blick auf ihre Collage zeigt, was sie dabei besonders beschäftigte: „Cybermobbing.“ Heute verraten ihre Worte, dass die 17-Jährige nicht vergessen kann: „Mobbing im Internet, Opfer sind traurig, kein Spaß am Internet, Selbstmord.“

Ihre eigenen Gewalterfahrungen in die verpflichtenden elf Worte zu einem Gedicht zusammenzufassen – das fiel den jungen Leuten nicht leicht. Umso überraschender, welch tiefe Einblicke sie dann doch mit diesen wenigen Worten gewähren. So erzählt eine junge Frau etwa von ihrem Vater, der sie regelmäßig schlägt, wenn er zu viel Alkohol getrunken hat. Drogen sind auch das große Thema von Jean-Pierre: „Drogen werden konsumiert, er nimmt viele, er vergisst die Probleme, Missbrauch.“ Offen sagt der 17-Jährige dazu: „Ich bin selbst Opfer gewesen und wollte zeigen, wie das ist“.

Nachgestellte Szenen

Die Szenen, die die Jugendlichen für ihre Fotos einstudierten, waren zum Teil so realistisch, dass sie bei den Vorbereitungen gar die Nachbarschaft der Ruhrwerkstatt auf den Plan riefen. „Drei Jungs stellten eine der Erschießungsszenen nach, die sie aus dem Fernsehen kannten – und prompt alarmierten Anwohner die Polizei“, erinnert sich Barbara Kröger von Arbeit und Leben. Über diese Wachsamkeit hätten sich die Jugendlichen ja noch gefreut. Weniger gut angekommen sei – trotz Aufklärung des Hintergrundes – die Bemerkung eines der Ordnungshüter zum Abschied: „Wir behalten euch im Auge.“

Häusliche Gewalt, politische Gewalt, religiös motivierte Gewalt, Gewalt in der Schule – eindrucksvoll gelingt es den Jugendlichen, den Finger in die eine große Wunde zu legen: Gewalt gehört längst zum täglichen Leben und sie betrifft uns alle – auf die ein oder andere Art und Weise.

Gut einen Monat lang sind die Collagen noch in der dritten Etage zu den normalen Öffnungszeiten des Bert-Brecht-Hauses zu sehen. Ein Blick darauf lohnt sich.

Die Collagen sind im Rahmen einer Zusammenarbeit von Arbeit und Leben (DGB/VHS) Oberhausen und der Ruhrwerkstatt Oberhausen entstanden. Die Durchführung der Projektwoche erfolgte durch den Presseclub Oberhausen. Finanziell gefördert wurde das Projekt durch den Europäischen Sozialfonds.