Oberhausen. Eine neue Kontakt- und Anlaufstelle an der Marktstraße soll homo-, bi- und transsexuellen Jugendlichen die Möglichkeit bieten, sich Rat zu holen und gemeinsam ihre Freizeit zu gestalten. Geschützte Begegnungsräume, qualifizierte Ansprechpartner und Hilfsangebote waren in Oberhausen bislang rar.
Der Anfang ist gemacht, aber fertig ist hier noch gar nichts – und das ist auch gut so. Denn den Jugendtreff, der an der Marktstraße 152 in der obersten Etage neu entstanden ist, sollen seine Besucherinnen und Besucher selbst gestalten und mit Leben füllen können. Ab sofort können sich dort jeden Montagnachmittag Jugendliche, die schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell oder sich ihrer sexuellen Orientierung noch nicht sicher sind, zur gemeinsamen Freizeitgestaltung treffen. Für sie gab es bislang in Oberhausen keine feste Anlaufstelle, so dass sie oft in Nachbarstädte ausweichen mussten.
Auf rund 15.000 Jugendliche schätzen Experten die Zahl der jugendlichen und jungen erwachsenen Oberhausener im Alter zwischen 12 und 26 Jahren, deren sexuelle Ausrichtung anders als heterosexuell ist. Von ihrer Umgebung erfahren sie häufig massive Anfeindungen und Ausgrenzungen, was sie vor allem in der schwierigen Zeit der Pubertät häufig sehr einsam werden und verzweifeln lässt. Nicht von ungefähr ist das Suizidrisiko homosexueller Jugendlicher im Schnitt vier- bis siebenmal so hoch wie das heterosexueller. Geschützte Begegnungsräume, qualifizierte Ansprechpartner und Hilfsangebote aber sind rar. Mit der Eröffnung der noch namenlosen Kontaktstelle und dem Aufbau eines so genannten „SchLAu-Teams“, das Aufklärung an Schulen bringen soll, ist jetzt auch in Oberhausen ein Anfang gemacht.
Akzeptanz statt Duldung
„SchLAu“, das steht für Schwul-Lesbisch-Bi-Trans-Aufklärung. Landesweit gibt es inzwischen 15 Teams, die entsprechend des NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller Vielfalt in Schulklassen ab Jahrgangsstufe 7 für Information und den Abbau von Vorurteilen sorgen. In Oberhausen soll bald das 16. Team aus speziell fortgebildeten jungen Erwachsenen an den Start gehen und damit den letzten „weißen Fleck“ in der Aufklärungslandschaft beseitigen. Die Vorbereitungen dafür laufen.
Auch Ehrenamtler werden gebraucht
Für die Kontaktstelle wird noch eine Frau gesucht, die dort als Honorarkraft drei Stunden pro Woche tätig sein möchte. Sie sollte möglichst zum Kreis der Zielgruppe gehören.
Für das SchLAu-Team wird noch ein Manager/eine Managerin benötigt. Auf Honorarbasis (Arbeitsumfang etwa 5 Wochenstunden) soll er/sie die Einsätze der Aufklärungsteams in den Schulklassen koordinieren. Ein sozialpädagogischer Hintergrund wäre gut, Höchstalter 30 Jahre.
Auch das ehrenamtliche SchLAu-Team kann noch einige junge Leute als Mitstreiter gebrauchen.
Ansprechpartnerin ist Sabine Lippek vom Jugendreferat: 85 00 -848
Ein Träger für den Jugendtreff und die begleitenden Aufklärungs- und Beratungsaktivitäten war mit dem Evangelischen Jugendreferat schnell gefunden: „Mit der Flotten Lotte und Manni sind wir schon länger auch mit sexualpädagogischen Angeboten in der offenen Jugendarbeit aktiv“, erzählt Johannes Rother, Leiter des Jugendreferats beim Evangelischen Kirchenkreis. „Wir möchten das Thema aus der Subkultur rausholen und in die Gesellschaft transportieren. Das ist eine Querschnittsaufgabe von Kinder- und Jugendarbeit“, ergänzt seine Stellvertreterin Sabine Lippek. „Und wir wollen, dass alle Jugendlichen Kirche als einen Ort erleben können, an dem sie so, wie sie sind, akzeptiert und nicht nur geduldet sind. Diese Anlaufstelle ist ein wichtiger Baustein“, ist Pfarrer Helmut Müller, Synodalbeauftragter für Jugendarbeit, überzeugt.
Nicht auf dem Präsentierteller
Auch in Zeiten anonymer Austauschmöglichkeiten im Internet seien solche Orte wichtig: „Das Internet kann wirklich soziales Miteinander nicht ersetzen“, sagt Pfarrer Müller.
Zwei Räume im Kirchenkreisgebäude an der Marktstraße 152 wurden für die Kontaktstelle und den Jugendtreff angemietet und schon mal provisorisch möbliert. Der Rest wird wachsen: Jeden Montag von 17 bis 19 Uhr können sich Jugendliche dort treffen und gemeinsam ihre Freizeit gestalten. Auf dem Präsentierteller stehen sie dabei nicht: Mit Familienbildungsstätte, Jugendreferat und Privatwohnungen ist beim Zugang eine gewisse Anonymität gegeben.
Starthilfe vom LVR für die ersten beiden Jahre
Zum Hintergrund: Ausgehend vom 2012 gestarteten NRW-Aktionsplan hat die örtliche Gleichstellungsstelle die Oberhausener Angebote für homosexuelle Jugendliche unter die Lupe genommen: „Da waren wir mit der Suche schnell am Ende: Druckluft, Aidshilfe, pro familia – sporadische Angebote gab es, aber nichts Regelmäßiges“, erzählt die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte Julia Pietrasch.
Im September 2013 gab’s im Zentrum Altenberg ein offenes Forum zum Thema „Gleichgeschlechtliche Vielfalt für Oberhausen“, dessen Ergebnisse deutlich machten, dass eine Kontaktstelle für Jugendliche fehlt. Oberbürgermeister Klaus Wehling, das Sozialdezernat, das Jugendparlament und die AG Chancengleichheit der Stadt unterstützten das Anliegen, die praktische Planung begann Ende 2013. Nach der Antragstellung beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) dauerte es dann ein halbes Jahr, bis im Mai der Bewilligungsbescheid eintrudelte: Für zwei Jahre gibt es jetzt eine Anschubfinanzierung vom LVR, insgesamt 50.000 Euro.