Mülheim. .
Am 12. Juni wird mitten in Mülheim eine neue Beratungsstelle offiziell eröffnet, die landesweit einzigartig ist. Sie heißt „gerne anders NRW“ und widmet sich sexueller Vielfalt in der Jugendarbeit. Besonders im Blickpunkt stehen die rund 2600 Jugendzentren, die es in Nordrhein-Westfalen gibt.
Mit einem Tag der offenen Tür wird die Feier verbunden, doch das dreiköpfige Team ist schon länger auf dem Weg. Und Mülheim wurde nicht zufällig als Standort gewählt.
Hier gibt es nämlich mit dem „together“ schon seit rund 15 Jahren einen speziellen Anlaufpunkt für schwule, lesbische, bi- oder transsexuelle Jugendliche. Nur wenige Städte bieten Vergleichbares. Getragen wird der Jugendtreff vom SVLS e.V. , der gemeinsam mit dem Kölner Verein Anyway e.V. die neue Beratungsstelle initiierte.
Flächendeckende Angebote für junge Lesben und Schwule
Vorausgegangen war ein Modellprojekt in der Region Niederrhein, das gezeigt hatte: Ohne Mitwirkung der etablierten Strukturen von Jugendarbeit wird es unmöglich sein, flächendeckend Angebote für junge Lesben und Schwule zu schaffen und Vorbehalte abzubauen.
Geschätzt 5 bis 7 Prozent der jungen Menschen haben eine gleichgeschlechtliche Orientierung. „Doch in den allgemeinen Einrichtungen gibt es kaum schwule oder lesbische Jugendliche“, sagt Torsten Schrodt, Leiter von „gerne anders NRW“ und Geschäftsführer des SVLS. Dies müsse sich ändern: „Unser langfristiges Ziel ist, dass die Jugendlichen überall akzeptiert werden und es irgendwann keine eigenen Zentren mehr geben muss.“
Erreichen will man dies durch Beratung von öffentlichen wie freien Trägern, Fortbildung von Fachkräften und Ehrenamtlichen, landesweite Netzwerkbildung, Entwicklung von Arbeitsmaterialien. Mehrere Jugendeinrichtungen haben die Fachberater schon besucht, u.a. in Essen und Gelsenkirchen. Allerdings verfügen sie dafür nicht über drei volle Stellen, sondern teilen sich insgesamt 47 Stunden pro Woche, sind alle noch anderweitig beschäftigt. Die neue Fachberatungsstelle wird komplett aus Landesmitteln des Kinder- und Jugendförderplanes NRW finanziert, zunächst befristet ab Oktober 2013 bis einschließlich Februar 2016.
„Gut, dass es so eine Stelle gibt“, meint die Leiterin des Wennmann-Hauses
Im Friedrich-Wennmann-Haus treffen sich keine schwulen oder lesbischen Jugendlichen, sagt Birgit Lieske, die das Heißener Zentrum seit nunmehr 29 Jahren leitet. „Aber wir hatten hier auch schon solche Fälle“.
An einen erinnert sie sich besonders, denn der betreffende Junge, das spürte sie im persönlichen Gespräch, war sehr verunsichert. „Er wusste nicht, ob er wirklich schwul ist oder bi.“ Birgit Lieske holte sich ihrerseits professionellen Rat beim Mülheimer SVLS e.V. und meint rückblickend: „Torsten Schrodt war in dieser Situation eine große Hilfe.“ Der Junge habe sich schließlich geoutet und auch noch eine Zeitlang das Friedrich-Wennmann-Haus besucht.
Außerdem erwähnt die Erzieherin zwei Mädchen, „die zwischendurch eine lesbische Phase hatten“, was für sie zur sexuellen Vielfalt gehört, für die ein Jugendzentrum grundsätzlich offen sein sollte. Andererseits: Auch mit dem Begriff „schwul“ als Schimpfwort werden Birgit Lieske und ihr Team häufiger konfrontiert: „Es gehört ja bei manchen Jugendlichen leider schon zur Umgangssprache“, werde aber von ihr nicht kommentarlos hingenommen.
Dass in Mülheim eine Beratungseinrichtung wie „gerne anders!“ besteht, begrüßt die Pädagogin sehr: „Ich finde es gut, dass es eine solche Stelle gibt, bei der ich im Zweifel anrufen kann, wenn ich mal eine Frage habe.“
Normaler Umgang mit Schwulen im Jugendzentrum „Café 4 You“
Die städtische Einrichtung Café 4 You wird auch von einigen schwulen Jugendlichen besucht, die offen zu ihrer homosexuellen Orientierung stehen, berichtet Salvatore Sangiorgio, der im Team des Styrumer Hauses als Diplom-Sozialarbeiter tätig ist. Etwa 18, 19 Jahre alt seien diese Jungs: „Sie sind bereits früher zu uns gekommen, als sie noch jünger waren, und haben dann irgendwann ihre Freunde beziehungsweise Partner mitgebracht. Alle gehen damit recht normal um.“
Abwertende Bemerkungen gegenüber den schwulen Paaren seien ihm noch nie zu Ohren gekommen. Dass „Du Schwuchtel“, „schwule Sau“ oder Ähnliches als Schimpfwort benutzt wird, sei allerdings schon passiert. „Dann versuche ich sofort darauf einzugehen. Bei uns im Haus gilt nämlich grundsätzlich die Regel, dass niemand beleidigt werden darf.“
Kontakt zu Torsten Schrodt haben die Mitarbeiter des Café 4 You über die Arbeitsgemeinschaft der Offenen Türen (AGOT), in der die Mülheimer Jugendfreizeiteinrichtungen monatlich zusammen kommen, auch der Treff „together - jung.lesbisch.schwul.bi.trans*. „Falls man eine spezielle Frage hat“, so Salvatore Sangiorgio, „kann man bei diesen Sitzungen direkt darüber sprechen.“