Oberhausen. . Probleme gebe es gerade im Einzelhandel und in der Pflege – auch Teilzeitkräfte seien betroffen. Der Unternehmerverband widerspricht dagegen der Kritik. Für Unternehmen, die Auftragsspitzen abarbeiten müssen, sei es nicht immer möglich, neues Personal einzustellen.

Die Deutschen sind europaweit betrachtet Spitze, wenn es um die jährlich geleistete Mehrarbeit geht. Diese Mitteilung der Europäischen Kommission, dass die Arbeitnehmer in Deutschland im EU-Vergleich die meisten Überstunden machen, kann Henrike Greven jedoch nicht freuen.

„Denn viele dieser Stunden werden ohne Bezahlung geleistet“, berichtet die Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim-Oberhausen. Gerade im Bereich des Einzelhandels und der Pflege sieht sie große Probleme. „Dort gibt es Handlungsbedarf.“

Jede Woche neue Fälle

Denn jede Woche werden der hiesigen Gewerkschafterin neue Fälle gemeldet, in denen Arbeitgeber die Anerkennung von Überstunden verweigern. „Dies findet vor allem in kleineren Betrieben statt, in denen es keine elektronische Erfassung der Arbeitszeit gibt“, so Greven. Betroffen seien vor allem Beschäftigte im Einzelhandel und der Pflege. „Dort funktioniert viel auf Vertrauensbasis, da die Arbeitszeit manuell eingetragen wird.“ Zudem gebe es in vielen Unternehmen in diesen Branchen keinen Betriebsrat.

Greven kritisiert dieses Vorgehen. „Vor allem von Verkäuferinnen und Verkäufern wird vorausgesetzt, dass sie länger arbeiten, als tariflich vereinbart. Es ist gang und gäbe, dass die Beschäftigten deutlich vor dem Öffnen des Geschäftes an ihrem Arbeitsplatz sein sollen.“ Auch am Ende des Tages müssten die Verkäufer länger im Betrieb bleiben, um den Kassensturz zu erledigen. „Wenn dann noch eine Diskrepanz auftaucht, dauert das meist länger als eine halbe Stunde“, erklärt Greven. Im Tarifvertrag des Einzelhandels seien aber maximale Überschreitungen von zehn Minuten vorgesehen.

Die Situation der Teilzeitbeschäftigten ist Greven ein weiterer Dorn im Auge. „Gerade auch von Beschäftigten in Teilzeit werden massiv Überstunden verlangt.“ Das sei nicht zu akzeptieren.

„Zunächst einmal ist der offenbar zu verzeichnende Anstieg der Überstunden ein Zeichen für die insgesamt positive konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Es ist besser, sich über Überstunden Gedanken zu machen, als über Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit“, erklärt Matthias Heidmeier, der Sprecher des Unternehmerverbandes.

Darüber hinaus: „Der Gesamtumfang der Überstunden in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Zudem ist in den letzten 20 Jahren die tarifliche Wochenarbeitszeit immer weiter gesunken. Es kommt also auch entscheidend auf die Ausgangslage an, wenn man Arbeitszeiten in den Blick nimmt.“

Abarbeiten von Auftragsspitzen

Für Unternehmen, die Auftragsspitzen abarbeiten müssen, sei es nicht immer möglich, neues Personal einzustellen. „Ein Grund dafür ist, dass entsprechende Fachkräfte oftmals nicht kurzfristig verfügbar sind“, so Heidmeier. „Hier sind dann Überstunden des vorhandenen Personals nötig. Unsere Mitgliedsunternehmen arbeiten dabei in der Regel mit Arbeitszeitkonten. In Phasen geringerer Auslastung können Überstunden dann abgebaut werden.“ Arbeitszeitkonten hätten sich sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Arbeitnehmersicht sehr bewährt.

„In unserer stärksten Branche, der Metall- und Elektroindustrie, ist der Umgang mit Überstunden klar und präzise im Tarifvertrag geregelt. Nicht zuletzt die flächendeckend vertretenen Betriebsräte achten darauf, dass die entsprechenden Regeln eingehalten werden.“

Für die Teilzeitbeschäftigten gelte dieser Rahmen im vollem Umfang selbstverständlich auch. „Die Datenbasis der Studie zu den nichtbezahlten Überstunden erschließt sich übrigens nicht ohne weiteres und müsste genauer hinterfragt werden“, so Heidmeier. Eine belastbare Aussage über die Anzahl nichtbezahlter Überstunden dürfte fast unmöglich sein, so der Unternehmerverband. „Für unsere Mitgliedsunternehmen treffen diese Zahlen so in jedem Fall nicht zu.“