Oberhausen. In der neuen Eigenproduktion des Kulturtempels wandern die Zuschauer mit den Darstellern in einen Geburtstag hinein. Liebenswert verrückte Charaktere spielen und singen sich in die Herzen des Publikums. Eine höchst vergnügliche und emotionale Beziehungslastige Angelegenheit.
Auf eine höchst vergnügliche, extrem Beziehungskrisen-lastige Wandertour schickt die fünfte Ebertbad-Eigenproduktion ihr Publikum mit einer Glanzleistung der beteiligten Darsteller-Crew, die schauspielerisch, singend und tanzend vollends überzeugt. „Dumm gelaufen“, von Gerburg Jahnke in einem fantastischen Bühnenbild in Szene gesetzt, hält Frauen wie Männern den Spiegel vor, gewohnt ungeschminkt, frech, direkt und mit einem gekonnt dosierten Maß an Sexlastigkeit, Übertreibungen und Einsatz von Schenkelklopfern.
Selbstverständlich wird eine riesige Palette an Klischees bedient, jedoch so, dass jede beteiligte Figur dem Charakter, für den sie steht, absolut treu bleibt. Trotz oder gerade wegen ihrer Macken spielen sie sich in die Herzen des Publikums. Mit Steigerung der Dramaturgie der Geschichte wächst der Sympathiefaktor für die am Spiel Beteiligten.
Rache am unaufhaltsamen Alterungsprozess
Besser als jede Vorgänger-Produktion nutzt „Dumm gelaufen“ die bühnentechnisch eher eingeschränkten Möglichkeiten des Ebertbads aus, schafft Spielraum vor dem Vorhang, auf mehreren Ebenen in der Wald-Kulisse sowie im Zuschauerraum. Sehr beeindruckend und wichtig fürs Gelingen der Produktion sind auch Lichteffekte und Geräusche.
Helena Markwart (Susanne Hayo) sieht ihrem 40. Geburtstag mit Schrecken entgegen: „Ende in Sicht und Bewährung gibt es nicht!“ Rache am unaufhaltsamen Alterungsprozess nimmt sie, indem sie ihren Gatten Gustav (Jens Kipper), seines Zeichens Schönheitschirurg, sowie die verhasste ältere Schwester Rebecca (Constanze Jung) und deren Mann Bernd (Heinz-Peter Lengkeit) zur Geburtstagswanderung einlädt. Eine Unternehmung, die neben der Tatsache dass es beiden Männern, so unterschiedlich sie sind, gleichermaßen verhasst ist, zu Fuß zu gehen, besonders heikel ist, weil zwischen beiden Paaren zuvor seit gut 20 Jahren Funkstille herrschte.
Liedtexte spielen eine wichtige Rolle
Hauptgrund: Rebecca und Bernd versauten Helena und Gustav die edle Hochzeitsparty gründlich: „Sie waren bekifft als sie ankamen, haben mit großer Geste die Gläser vom Tisch geräumt und sind dann in die Hochzeitstorte gesprungen.“ Doch selbst die Erinnerung ihres Mannes an die Katastrophe von damals bringt Helena nicht ab von ihrem Wandervorhaben. Sie, Hauptperson in dieser Geschichte, ist, einer Therapie sei Dank, voll neu entdeckter Durchsetzungskraft. Das gilt auch fürs Verhältnis zwischen ihr und der älteren Schwester, die die Ärztegattin und Mutter zweier Kinder weder bewundert noch akzeptiert. Ihr Ding sind Yoga, Meditation, Esoterik. Der vorprogrammierte Zickenkrieg wird später ausbrechen.
Zunächst einmal beginnt die Tour Richtung Hunsrück mit einer Busfahrt. Diese Szene ist eine kabarettistische Glanzleistung auf dem Mittelgang zwischen den beiden Publikumsblöcken. Als Fahrer fungiert Nito Torres, der später noch als plötzlich im Wald auftauchender Sachse reichlich Schwung in die dann mittlerweile in völlige Krise geratenen Paarbeziehungen bringt.
Wichtig fürs Gelingen von „Dumm gelaufen“ ist, dass, mit Ausnahme der Wanderlieder zum Mitsingen, die Liedtexte (Anna Bolk) eine dem gesprochenen Text gleichwertige Rolle spielen, wodurch das Stück ungeheuer emotional rüberkommt. Das Premierenpublikum war sehr angetan. Viel Applaus.