Oberhausen. Jugendliche reisen zum ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen. 14 israelische Gäste der Jugendbegegnung fahren mit. Vor dem jüdischen Mahnmal, errichtet auf einer weiten Ebene, beginnt die Zeremonie zum Gedenken an die Verstorbenen.
Die Stimmung im Bus ist gedämpft. Die Müdigkeit der frühen Morgenstunden ist fast mit Händen greifbar. Dösend hängen die Jugendlichen in ihren Sitzen. Vorne wird getuschelt, später Gitarre gespielt, aber die meiste Zeit ist es ruhig.
Eine 40-köpfige Gruppe der Multi fährt zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen, nördlich von Hannover gelegen. Mit dabei: die israelische Delegation mit ihren 14 Leuten. Die Erinnerung an die menschliche Katastrophe der Judenverfolgung unter den Nazis in Deutschland gehört zur Tradition der Oberhausener Jugendbegegnung Multi. Ein Grund dafür: Die israelische Regierung wünscht bei Teilnahme israelischer Jugendlicher, dass eine Holocaust-Gedenkstätte besucht wird.
Die Fahrt stößt auch bei den übrigen Multi-Teilnehmern auf großes Interesse. „Wir mussten extra einen größeren Bus mieten, weil es so viele gab, die mit wollten“, sagt Organisator Wolfgang Heitzer.
Zeremonie am jüdischen Mahnmal
Es ist idyllisch. Die Birken ringsum ragen hoch in den blauen Himmel. Sonnenblumen wachsen wild zwischen den Gräsern. Die Sonne scheint, der Wind weht angenehm über das Gelände.
„Hier ist es fast zu schön, die Sonne, die Ruhe, die Bäume“, meint Itamar. Der israelische Schüler zieht einen Vergleich zum Holocaust-Museum in seinem Heimatland: „Dort ist es stickig und warm. Es gibt keine Sitzmöglichkeiten und die gezeigten Bilder sind noch grausamer.“
Dabei sind die Fotos und Szenen auf der Leinwand im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Bergen-Belsen schon schlimm genug: Ausgemergelte tote Menschen werden mit Bulldozern in Gruben gerollt; KZ-Aufseher werfen Leichen in Massengräber. Nicht ohne Grund steht auf dem Schild am Vorführraum: „Kein Zutritt unter 14 Jahren.“
An den grauen Betonwänden hängen Fotos und Dokumente aus dem Lageralltag. Unter Glas liegen im Boden eingelassen verrostete Rasierer, alte Schalen und Brillen.
„Das war erschreckend zu sehen. Für uns junge Leute ist es aber wichtig, unsere Geschichte zu kennen. Ich hätte gerne noch mehr Zeit im Museum verbracht“, sagt Jan. Der 15-jährige Oberhausener ist Gastgeber für Bar, einen israelischen Jungen, dem der Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen besonders am Herzen liegt: „Verwandte von mir sind im Zweiten Weltkrieg gestorben.“
Briten rissen Gebäude sofort ab
Draußen auf dem riesigen Gelände von Bergen-Belsen ist fast nichts mehr zu sehen: Kein Zaun, kein Krematorium, keine Baracken – aus Angst vor Krankheiten hatten die Briten damals fast alle Gebäude sofort abgerissen. Nur einige Grundmauern stehen noch. Ein Modell in der Vorhalle verschafft den Jugendlichen einen Überblick über das Areal mit seiner düsteren Vergangenheit.
Auf den Stufen vor dem jüdischen Mahnmal, errichtet auf einer weiten Ebene, beginnt die Zeremonie zum Gedenken an die Verstorbenen. Die Israelis legen ihre mitgebrachten Fahnen aus, sie zünden Kerzen an; die Multi-Helfer verteilen weiße Rosen. Zwei der jüdischen Mädchen fangen an zu weinen, als Itamar auf seiner Geige ein Lied anstimmt. Unweit des Mahnmals steht der Grabstein von Anne Frank und ihrer Schwester Margot, die beide in Bergen-Belsen starben.
Das mulmige Gefühl hält noch eine Zeit lang auf der Rückfahrt an, die meisten blicken nachdenklich aus dem Fenster, einige unterhalten sich leise über das Erlebte.
Erst nach der Mittagspause an einer Raststätte wird wieder gescherzt, gelacht – und zusammen Vokabeln gelernt: Deutsch, Spanisch und Hebräisch. Jugendliche bei der Völkerverständigung.