Oberhausen. . Ein Sozialarbeiter des Duisburger Vereins „Mensch ist Mensch“ wirft der Familienkasse Oberhausen einen zweifelhaften Umgang mit Menschen aus Roma-Familien vor. In der Behörde herrschten bisweilen bürokratische Strukturen und ein rauer Ton. Dort weist man die Vorwürfe vehement zurück

In den Köpfen vieler Menschen firmieren sie noch immer unter dem politisch inkorrekten Sammelbegriff der Zigeuner. Eine genaue Zahl, wie viele Roma derzeit in Oberhausen leben, gibt es nicht, „weil in der Ausländerbehörde nur Nationalitäten, nicht aber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe erfasst werden“, erklärt Stadtsprecher Uwe Spee.

Überhaupt weiß man wenig über diese Zuwanderergruppe, ihre Kultur und Lebensgewohnheiten – eine Meinung über sie erlauben sich offenbar trotzdem viele, sagt zumindest Frank Knott vom Verein „Mensch ist Mensch“ mit Sitz in Duisburg.

Welten prallen aufeinander

Regelmäßig begleitet der Sozialarbeiter auch Oberhausener Roma-Familien zu Behördengängen und steht ihnen bei ihrem Weg durch den deutschen Paragrafendschungel zur Seite. „Es ist erschreckend, wie vielen dumpfen Vorurteilen diese Menschen im Alltag begegnen und wie sie in den Ämtern teilweise behandelt werden“, so Knott und richtet seine Kritik insbesondere an die Familienkasse Oberhausen. Zuletzt machte er seinem Ärger in einem Offenen Brief an die Familienkassen Oberhausen und Krefeld Luft. „Diese Familien sind auf das Kindergeld angewiesen, da es in den meisten Fällen die einzige soziale Leistung ist, die sie beziehen dürfen“, erläutert Knott. „Ich habe den Eindruck, dass die Behörden mitunter auf Zeit spielen, um das Kindergeld nicht bewilligen zu müssen.“

So würden von Roma, die einen Antrag auf Kindergeld stellen, mitunter überflüssige Nachweise wie eine Kindergartenbescheinigung, die letzte Stromkosten-Abrechnung oder Belege über eine eventuelle Kautionszahlung verlangt, die das Verfahren unnötig in die Länge zögen. „Solche Dinge werden von deutschen Antragstellern sicherlich nicht verlangt – das ist reine Schikane“, moniert Knott und geht mit seiner Kritik noch weiter: „Generell herrscht bei den Sachbearbeitern ein rauer Umgangston, wenn sie es mit Roma zu tun haben. Man vermittelt den Leuten von vornherein das Gefühl, dass man sie für Schmarotzer hält.“

Ein Vorwurf, den Katja Hübner, Sprecherin der Agentur für Arbeit Oberhausen, wo die hiesige Familienkasse untergebracht ist, so nicht stehen lassen will: „Die Sachbearbeiter halten sich nur an ihre Vorschriften. Da hegt sicherlich niemand böse Absichten.“ Auch handle es sich bei den Antragstellern in der Regel um kinderreiche Familien – entsprechend mehr Zeit nehme die Bearbeitung in Anspruch, wenn für jedes einzelne Kind ein Antrag gestellt werden müsse. „Es kommt häufig vor, dass die Eltern nicht für alle Kinder über eine Geburtsurkunde verfügen. Daher ist es eher ein Entgegenkommen der Familienkasse, die Existenz der betreffenden Kinder auf anderem Wege wie etwa mit einer Kindergartenbescheinigung nachzuweisen“, so Hübner. „Mit Diskriminierung hat das nichts zu tun.“

„Prozedere ist formal korrekt“

Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg reagierte inzwischen auf Knotts Kritik und bezog in einer Pressemitteilung ausführlich zu den Vorwürfen Stellung: „Bei bestimmten Fallkonstellationen müssen zusätzliche Bescheinigungen von Kindergeldbeziehern verlangt werden. Dies ist aber den Umständen des Einzelfalls geschuldet und stellt keine Ungleichbehandlung von Nationalitäten dar“, heißt es dort. Für ein Recht auf Kindergeld müssten Antragsteller unter anderem ihren Wohnsitz in Deutschland haben, was den Nachweis von Mietverträgen und Ähnlichem erklärt.

Seit dem 1. Januar 2014

Seit dem 1. Januar 2014 genießen Roma aus EU-Ländern wie Rumänien oder Bulgarien die volle Freizügigkeit. In der Hoffnung auf ein besseres Leben kommen sie nach Deutschland, weil sie in ihren Heimatländern oftmals keine Perspektive mehr sehen.

Für viele ist das Kindergeld die einzige soziale Leistung, die sie beziehen dürfen. Ein Anspruch auf Elterngeld besteht nur, wenn die Kinder in Deutschland geboren wurden.

Rechtsanwältin Christina Worm, die „Mensch ist Mensch“ juristisch unterstützt, gibt sich damit dennoch nicht zufrieden. Erst kürzlich ging ein Fall aus Oberhausen über ihren Schreibtisch: „Wie so oft wurde von einer Familie mal wieder ein ganzes Sortiment an Bescheinigungen verlangt. Wir haben erfolgreich dagegen geklagt und die Familienkasse Oberhausen musste meinem Klienten 4000 Euro Kindergeld nachzahlen.“ Das Argument, eine Kindergartenbescheinigung werde etwa zum Nachweis der tatsächlichen Existenz eines Kindes benötigt, lässt sie nicht gelten: „Man könnte das ganze Verfahren erheblich verkürzen, indem man das Kind nebst Pass zum Termin einfach mit in die Behörde bringt.“

Problem nicht auf Gruppe der Roma beschränkt

Die Kritik am Umgang der Behörden mit ausländischen Klienten kann Sigrid Culemann, Mitarbeiterin im Flüchtlingsrat Oberhausen, teilweise nachvollziehen – dieses Problem beschränke sich aber nicht allein auf die Gruppe der Roma: „Allein die lange Wartezeit bei einem Termin ist schon ein gewaltiger Aufwand. Auch wenn ich jemanden zu einem Termin begleite, werden die Antragsteller häufig von oben herab behandelt“, so Culemann.

Ercan Telli, Geschäftsführer des Integrationsrates Oberhausen, plädiert indes dafür, keine vorschnellen Urteile zu fällen, zumal die Familienkasse nicht in städtischer Hand, sondern eine Bundesangelegenheit sei: „Sicherlich sind viele Konflikte auch einem Kommunikationsproblem geschuldet. Eines steht fest: Für das Thema Fremdenfeindlichkeit sind wir in Oberhausen sensibilisiert.“