Oberhausen. 2007 haben sich die beiden evangelischen Kirchengemeinden Königshardt und Schmachtendorf im Norden Oberhausens zusammengeschlossen. Jetzt prüft das Presbyterium den Verkauf des Gotteshauses an der Kempkenstraße. Das Leben spiele sich schon heute am Gemeindehaus Forststraße ab, heißt es
Sie wirkt ein wenig wie eine Trutzburg, eine in die Jahre gekommene Trutzburg – die evangelische Kirche an der Kempkenstraße in Schmachtendorf. Auf dem Rundgang durch das „Veedel“ begleitet uns Superintendent Joachim Deterding – es ist ein besonderer Gang. Denn vielleicht wird diese Kirche schon bald Vergangenheit sein.
Derzeit gibt es Überlegungen in der Evangelischen Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf, das Gotteshaus an der Kempkenstraße zu verkaufen – und mit ihr das benachbarte Pfarrhaus. Joachim Deterding, der dort als Pfarrer arbeitet, betrifft diese Diskussion auch persönlich: „Das ist schon ein emotionaler Moment, denn ich kam 1995 als Hilfspfarrer in diese Gemeinde und wurde 1996 hier ordiniert. Ich lebe seitdem mit meiner Familie in diesem Pfarrhaus, und meine beiden jüngeren Kinder wurden hier getauft.“
Soweit die emotionale Seite, doch die Entscheidung über das Schicksal dieser Kirche im Oberhausener Norden trifft nicht das Gefühl, sondern der Geldbeutel der Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf. Und der lässt den Betrieb dieser – und auch der Kirche in Königshardt – dauerhaft nicht zu. Der Seelsorger Deterding betont: „Ich kann mein Herz doch nicht an Steine hängen. Mir geht es um die Menschen, für die will ich da sein. Und wir müssen jetzt auch unangenehme Entscheidungen treffen, damit wir die Verantwortung nicht auf spätere Generationen abwälzen.“
Wenige kommen zum Gottesdienst
Und eines komme hinzu, sagt der Theologe: Diese Kirche war nie Zentrum eines Ortsteils im Norden Oberhausens. Die Schmachtendorfer Mitte ist einfach zu weit entfernt. „Das Gemeindeleben spielt sich seit vielen Jahren mehr im Gemeindezentrum an der Forststraße ab als in dieser Kirche. Dort sind auch der Kindergarten und der Friedhof“, sagt Deterding.
Eine Gemeinde seit Juli 2007
Die Kirchengemeinde Königshardt-Schmachtendorf gibt es erst seit rund sieben Jahren. Bis zum 1. Juli 2007 waren die Gemeinden in Königshardt und Schmachtendorf eigenständig, zusammengeschlossen haben sie heute rund 9000 Mitglieder.
Zu den Einrichtungen der Gemeinde gehören das Familienzentrum Schmachtendorf, der Kindergarten Sonnenstrahl, Jugendangebote in Königshardt und im Schmachtendorfer Jugendhaus sowie zwei Gemeindecafés. In den Gemeinden aktiv sind Mitglieder in Gesprächskreisen und Treffs, im Seniorenclub, in der Frauenhilfe, am Männerstammtisch und im Singkreis sowie in der Eine-Welt-Arbeit. Mehr zur Gemeinde unter www.ev-kirche-ks.de.
Es kommen zu wenig Gottesdienstbesucher, beschreibt Deterding die Situation unverblümt. Die demografische Entwicklung Oberhausens sei dafür verantwortlich; in der Stadt leben immer mehr Ältere. „Wir können eine Kirche nicht nur für Hochzeiten erhalten“, sagt Deterding.
Als die Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand, siedelten sich in der Gegend Bergarbeiter an. Die kleinen Zechenhäuser rundherum legen davon noch heute Zeugnis ab. Die meisten sind inzwischen in privater Hand, viele schmuck hergerichtet. „Doch es gibt etliche Eigentümer, die gerade mal ihr Häuschen bezahlen können“, gibt Deterding zu bedenken. „Da wird gespart, wo es geht – und das ist eben auch die Kirchensteuer.“
Bunt gemischtes Viertel
Derzeit wird ein großes Gelände an der Straße Am Tüsselbeck für eine neue Wohnbebauung vorbereitet. Hier ist Platz für etliche neue Bewohner des Viertels. Dennoch: Auch dies werde nichts am grundsätzlichen Mitgliederrückgang der Gemeinde ändern, befürchtet Deterding: „Ich rechne nicht mit einem großen Zuzug an evangelischen Gläubigen.“ Das Viertel rund um die Kirche ist bunt gemischt – was der Theologe sehr schätzt: „Hier ist ein guter Döner-Imbiss, da hinten ein guter Grieche. Und mit allen kann man gut reden.“
Was bleibt, wenn die Kirche an der Kempkenstraße eines Tages wirklich verkauft wird? Deterding sagt zu: „Die Arbeit mit den Menschen hier. Vor allem solle die engagierte Jugendarbeit der Gemeinde fortgesetzt werden.
Deterding schaut am Ende des Rundgangs nachdenklich auf „seine“ Kirche: „Mit ihr sind schon viele schöne Erinnerungen verbunden. Die tollen Gottesdienste, die Begegnungen mit interessanten Menschen, auch die bewegenden Beerdigungen.“
Bergbau sorgte für Schäden an der Kirche
In ihren Anfangsjahren gehörte die Schmachtendorfer Gemeinde zum Kirchspiel Hiesfeld. Bevor es die Kirche an der Kempkenstraße gab, „wurde die alte Martinischule in Waldhuck als Predigtort genutzt“, hält Historiker Karl Lange in seiner Chronik anlässlich des 100-jährigen Bestehens der evangelischen Kirche Schmachtendorf fest.
Das Gotteshaus wurde 1906 erbaut. Es entstand damals mit einfachen Mitteln, finanziert durch Gelder des Gustav-Adolf-Werkes, des Diasporawerkes der Evangelischen Kirche in Deutschland, erläutert der heutige Schmachtendorfer Pfarrer Joachim Deterding. Damals lag das Gotteshaus an der Hauptverbindung zwischen Sterkrade und Hiesfeld. „Ich habe gehört, dass die heutige kleine Arnoldstraße damals diese Hauptstraße gewesen sein soll“, erinnert sich der Seelsorger.
Betritt man die dreischiffige Kirche, dann fällt vor allem das Rundfenster über dem Altar auf, das in leuchtenden Farben strahlt. Doch man sieht auch an dieser Stelle deutlich: Hier ist Sanierungsbedarf.
Siebenarmiger Leuchter von Otto Wesendonck
Problematisch sind vor allem jene Schäden, die durch Absenkungen in Folge des Bergbaus verursacht wurden, wie Deterding deutlich macht: „Die Kirche drohte in verschiedene Richtung auseinaner zu driften“, sagt der Seelsorger. Eine Stahlverstrebung im Kirchenraum sorgt deshalb seit einigen Jahren für Stabilität. Vor 20 Jahren bezahlte der Bergbau aber auch einen komplett neuen Boden, weil der alte zu viele Stolperfallen aufwies.
Der Kirchenraum hat eine Besonderheit aufzuweisen: Der bekannte Künstler Otto Wesendonck, in Oberhausen vor allem durch den Phönix-Brunnen bekannt, hat dieser Kirche einen siebenarmigen Leuchter geschenkt. Der Bildhauer stammt aus Schmachtendorf und überreichte den Leuchter im Gedenken an seine 1990 verstorbene Mutter, erzählt Deterding.