Oberhausen. . Auf einem Oberhausener Schrottplatz üben die Brandmeisteranwärter die Technische Hilfeleistung. Sie müssen verletzte Personen aus Unfallautos befreien. Dabei ist reibungslose Zusammenarbeit gefragt, denn im Ernstfall zählt jede Sekunde. Doch nicht alles klappt auf Anhieb.

Denis Wala setzt die schwere Hydraulikschere an und auf Knopfdruck schneidet sich das Gerät durch die Karosserie. Der Dachholm ist durch und nach der D-Säule nimmt der Bottroper Brandmeisteranwärter sofort die C-Säule in Angriff, schließlich muss das Dach des Kombis ab. Der Wagen liegt auf der Seite, im Innern ist eine Person eingeklemmt. Hier auf dem Schrottplatz in Oberhauen ist es nur ein Übungsszenario, doch später im Berufsleben kann so ein Rettungseinsatz immer vorkommen. Denn dass Feuerwehrleute Eingeklemmte aus Unfallautos bergen müssen, ist Teil des Berufs.

Verschiedene Szenarien aufgebaut

Auf dem Schrottplatz haben Rene Heyse und Markus Urbaneck, Ausbilder der Bottroper Feuerwehr, verschiedene „Unfälle“ aufgebaut. Hinterm Steuer sitzt ein 80-Kilo-Dummy – vom Ausbildungsjahrgang liebevoll Birgit getauft. Sie gilt es zu retten. Aktuell bilden Denis Wala und Michael Trommeshauser den Angriffstrupp. Sie arbeiten direkt am Auto und trennen das Dach ab. Zuvor haben sie mit der Axt die Scheiben eingeschlagen. Kollege Stephan Eberz zwängt sich durch die Heckscheibenöffnung, redet beruhigend auf Birgit ein und schützt sie mit Decken vor Glassplittern und anderen Gegenständen.

Mit vereinten Kräften bergen die Brandmeisteranwärter die verletzte Person aus dem Auto. Ausbilder Markus Urbaneck hält alles im Video fest
Mit vereinten Kräften bergen die Brandmeisteranwärter die verletzte Person aus dem Auto. Ausbilder Markus Urbaneck hält alles im Video fest © WAZ FotoPool

Derweil ist Denis Wala geschafft, gibt die Hydraulikschere weiter an Trommeshauser, schließlich wiegt das Gerät 20 Kilo. Die muss man erst einmal handhaben. Von René Heyse gibt es dafür ein Lob. Denn die Retter sollen mit ihren Kräften haushalten. „Alles andere wäre falscher Ehrgeiz.“ Endlich sind die Dachholme durch und mit vereinten Kräften öffnet sich der Wagen wie eine Konservenbüchse. Dafür müssen aber die Kollegen mit anpacken. Denn selbstverständlich ist so eine technische Hilfeleistung – so der Fachbegriff – eine Gemeinschaftsarbeit.

Während Wala und Trommeshauser am Wagen arbeiten, sind zwei Kollegen als „Schlauchtrupp“ im Einsatz. Sie halten alle Rettungsgeräte parat. Die werden auf einer großen Plane ausgelegt, damit auf Zuruf alles griffbereit ist. Zwei weitere Kollegen bilden den Wassertrupp. Ihre Aufgabe ist es zu beobachten, ob Benzin oder andere Flüssigkeiten auslaufen, und sie müssen auch, wenn nötig, löschen.

Mit vereinten Kräften ziehen die Brandmeisteranwärter Birgit über eine spezielle Trage aus dem Wrack. Weitere Verletzungen sollen vermieden werden, die Wirbelsäule muss stabilisiert und geschützt werden. Etwa eine halbe Stunde hat die Rettung gedauert. Urbaneck und Heyse sind zufrieden, stellen aber klar, dass es länger nicht dauern dürfe. Es gebe die „golden hour of shock“, die goldene Stunde des Schocks. Das heißt, innerhalb einer Stunde nach dem Unfall muss der Patient im Krankenhaus sein, andernfalls verschlechtern sich seine Chancen rapide. „Und wir müssen die Zeit bis zur Alarmierung, die Anfahrt und den Weg zum Krankenhaus berücksichtigen“, warnt Urbaneck.

Die WAZ begleitet zwei Brandmeister-Anwärter

Anfang April haben Michael Trommeshauser und Denis Wala ihre Ausbildung begonnen. Zuvor haben sie sich in einem auch körperlich anspruchsvollen Einstellungstest durchgesetzt.

Während der 18 Monate wird die WAZ die beiden jungen Männer begleiten und immer wieder über die Ausbildung und die Fortschritte berichten.

Vor allem die Kommunikation müssten die Anwärter noch verbessern, so die Ausbilder. Der Einsatz der Geräte sei gut gewesen. Beim ersten Übungsszenario – ein Kleinwagen war einem anderen Wagen in die Seite gefahren – hätten sich die Jungs jedoch das Leben unnötig schwer gemacht. Sie haben schlicht vergessen, zu versuchen, ein Unfallauto beiseite zu schieben. „Aber dafür üben wir“, so Heyse. Und im Ernstfall sei ein Zugführer dabei, der ansagt, was zu tun ist. „Darauf haben wir hier verzichtet, weil die Anwärter mitdenken sollen und nachvollziehen sollen, warum etwas auf diese Weise gemacht wird.“

Am Ende sind Trommeshauser und Wala erleichtert. Doch vor der ersten echten Rettung, der ersten wirklich verletzten Person haben beide höllischen Respekt. „Aber dafür werden wir ausgebildet.“