Oberhausen. . Der Druck auf Arbeitssuchende in Oberhausen wird stärker: Nie wurden vom hiesigen Jobcenter mehr Sanktionen verhängt als 2013. 4675 Strafen gab es, im Jahr davor waren es noch 3842. Für Inge Hannemann ist Hartz IV eine reines Druckinstrument und „gewollte Armut“.

Der Druck auf Arbeitssuchende in Oberhausen wird stärker: Nie wurden vom hiesigen Jobcenter mehr Sanktionen verhängt als 2013. 4675 Strafen gab es, im Jahr davor waren es noch 3842. Für Inge Hannemann, die bis April 2013 noch in einem Hamburger Jobcenter arbeitete, wo sie gegen das System rebellierte, ist Hartz IV eine reines Druckinstrument und „gewollte Armut“. In der rappelvollen Zentrale der Linken Liste nahmen sie und der junge Hartz-IV-Kritiker Marcell Kallwass über die in ihren Augen unmenschliche Maschinerie des „Förderns und Forderns“ kein Blatt vor den Mund.

Einblicke ins Innere

Und diese deutlichen Wort bekamen als Erstes „die Medien“ ab: „Wieso hört ihr mich an, aber nicht die Betroffenen?“, fragte Hannemann. Ist den Zeitungen, dem Fernsehen und das Radio das Thema vielleicht nicht quotenträchtig genug? Das auch von Medien mitgeprägte negative Bild vom angeblich faulen, selbstverschuldeten Arbeitslosen trage dazu bei, dass den Betroffenen die Lobby fehlt.

Wie Hartz-IV die Zeitarbeit und Niedriglöhne gefördert hat, weiß Hannemann aus der Innenperspektive. Jahrelang hat sie als Sachbearbeiterin auf der einen Schreibtischseite eines Jobcenters gesessen, bis sie öffentlich die Agenda 2010 und den Umgang mit Arbeitslosen kritisierte. „Zeitarbeit ist bei den Mitarbeitern beliebt, weil sie damit eine hohe Vermittlungsquote erreichen können“, berichtet die inzwischen vom Jobcenter offiziell „freigestellte“ Hannemann.

Quotenerfüllung durch Zeitarbeit

Für die 45-Jährige hängt daran ein System: Die mit dem Teamleiter vereinbarte Vermittlungsquote werde oft über Zeitarbeit erfüllt, für die Einhaltung von Zielvorgaben kassiere ein Teamleiter eine Leistungsprämie, die Zeitarbeitsfirmen kassierten dagegen den Eingliederungszuschuss. Nach Ablauf der Eingliederungsphase behaupte die Firma häufig, der Mitarbeiter wäre unzuverlässig, lasse sich nicht eingliedern. Ergebnis sei dann: Sanktionen gegen den Betroffenen.

„Auch die Sachbearbeiter sitzen in einem Käfig“, glaubt Hannemann, wer gar nicht sanktioniere, falle im Team negativ auf „Für die Agenda 2010 würde ich gerne Angela Merkel in die Ecke stellen, zum Schämen wie früher in der Schule“, merkt sie an. Das erntet Applaus.

Der junge Marcel Kallwass hat ebenso seine Erfahrung mit dem Jobcenter gemacht. Kallwass war Student an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit bis auch er offen das System kritisierte. „Verunglimpfungen“ und „Verstöße gegen Dienstvereinbarungen“ kosteten ihn den Studienplatz.

Jetzt bezieht auch er Hartz-IV: „Wir sollten uns nicht länger verarschen lassen, und auf die Straße gehen“, meint Kallwass engagiert. Bleibt nur ein Phänomen: „Wir bekommen die Betroffenen leider nicht gemeinsam auf die Straße“, hält Hannemann fest – die Ursachen dafür seien vielschichtig.