Oberhausen. Die Verwalterin einer Awo-Wohnanlage in Oberhausen verabschiedete sich in die Rente. Die Stelle soll nicht neu besetzt werden. Doch die Mieter wehren sich: Ein Beschwerdebrief wurde bereits verfasst. Einlenken wollte die Awo bisher jedoch nicht. Zu hoch seien die Kosten für einen Nachfolger.

Senioren der Awo-Wohnanlage Am Förderturm 6 gehen auf die Barrikaden: Ihre langjährige Verwalterin ist seit dem 1. April im wohlverdienten Ruhestand. Bis dahin schaute sie stets nach dem Rechten, holte im Krankheitsfall schnell die im Haus ansässige Ärztin. Doch Ersatz für die gute Seele soll es nicht geben. „Unser Wohlfahrtsverband lässt uns im Stich“, beschweren sich die alten Menschen jetzt bei der WAZ.

„Dabei sind wir damals nur hier eingezogen, weil wir wussten, dass es für uns einen Ansprechpartner in der Anlage gibt“, erzählt Martina B. (81, Name geändert). Nachbarin Gertrud T. (71, Name geändert) ergänzt: „Und wegen der Notruf-Strippen.“ Zwei davon befinden sich in jedem Badezimmer, eine direkt am Bett.

„Bis 8.30 Uhr früh mussten wir daran gezogen haben“, erläutert Martina B. Die Verwalterin habe in ihrer Erdgeschosswohnung einen Kasten mit Leuchten für jede der 84 Wohnungen.

„Brannte eine Lampe nicht, kam sie hoch und klopfte“, erzählt B. weiter. Meldete sich der Mieter noch immer nicht, habe sie die Wohnung mit ihrem Hauptschlüssel geöffnet. „Mal lag jemand mit Fieber im Bett und konnte nicht aufstehen“, erinnert sich T. Aber hin und wieder sei es auch vorgekommen, dass einer der alten Menschen tot im Sessel gesessen habe.

Senioren sind auf Hilfe angewiesen

Für die alten Leute eine Horrorvorstellung: „Jetzt interessiert das niemanden mehr!“ Denn viele der 84 Bewohner zwischen 60 und 90 Jahren hätten keine Angehörigen mehr. „Bei den anderen wohnen die Kinder oder Verwandten weiter weg und können sich gar nicht regelmäßig kümmern“, erzählt die 81-Jährige. Bislang wäre das auch nicht nötig gewesen. Dank der Verwalterin hätten sich die Bewohner, die ansonsten recht fit seien, behütet gefühlt.

„Sie hatte ein Auge darauf, wer sich in den Hausfluren aufhielt und verscheuchte Vertreter oder Scherenschleifer“, sagt die 71-Jährige. Außerdem habe sie hausmeisterliche Tätigkeiten übernommen. Schnell eine Glühbirne im Flur auswechseln, Papier im Hof aufsammeln, die Müllbeutel richtig in die Tonne drücken. „Das können wir Alten halt nicht mehr“, sagt B. Vor allem aber habe sich die Verwalterin für das gesellschaftliche Miteinander stark gemacht. „Im Gemeinschaftsraum in der fünften Etage hat sie für uns Weihnachtsfeiern, Osterfeste, Kaffeetrinken zum Muttertag oder Nikolaus und vieles mehr organisiert“, erinnern sich die beiden wehmütig.

„Die Stelle muss wieder besetzt werden!“

Einige Bewohner hätten bereits Beschwerdebriefe an die Awo geschickt. Auch Gespräche mit Vertretern des Wohlfahrtsverbandes habe es gegeben. Ohne Erfolg. Die Notfall-Strippen seien bereits abgestellt worden. Statt dessen habe die Awo den Bewohnern Notrufketten oder -armbänder angeboten. „Dafür sollen wir 34 Euro im Monat bezahlen, das kann sich hier doch kaum jemand leisten“, empören sich die Seniorinnen.

„Als jetzt einer Nachbarin die Tür zuschlug, saß sie stundenlang auf dem Flur, bis die Tochter von der Arbeit kam, um mit einem Ersatzschlüssel zu öffnen“, berichtet Martina B. Den Generalschlüssel gebe es zwar noch, aber der liege nun im Awo-Büro. „Wenn so etwas nach Büroschluss passiert, sind wir halt die Dummen“, stellen die beiden fest. Sie fordern: „Ein Wohlfahrtsverband hat eine soziale Verpflichtung, die Stelle muss wieder besetzt werden!“

Awo verteidigt Stellenstreichung - „altes Modell“ zu teuer 

Das sagt Jochen Kamps, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Oberhausen, zu dem Fall: „Wir können uns das alte Modell nicht mehr leisten.“ Auch ein Sozialverband müsse wirtschaftlich arbeiten.

Die Verwalterin habe in dem Haus gewohnt. Obgleich sie bei der Awo nur einen Acht-Stunden-Job gehabt habe, sei sie von den Senioren oft an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr in Anspruch genommen worden. Kamps weiß: „Sie hat gerne geholfen, aber nun ist sie im Ruhestand.“ Ein Ersatz für die Mitarbeiterin sei nicht geplant, „weil wir für sie gleich drei Leute einstellen müssten“. Denn wer wolle schon rund um die Uhr ohne Bezahlung arbeiten?

Gleichberechtigte Wohnanlagen

Die Kosten für die hausmeisterlichen Tätigkeiten der Verwalterin seien zu 30 Prozent von den Mietern der Wohnanlage übernommen worden. „Und nur diese“, betont Kamps. Eine Rundum-sorglos-Betreuung sei nie vereinbart worden. „Das Hermann-Albertz-Haus ist eine Wohnanlage und kein Seniorenheim.“ Die übrigen 70 Prozent und damit gut 20.000 Euro jährlich habe bislang die Awo übernommen. „Wir haben aber sechs altengerechte Anlagen, nur diese eine hatte noch einen Hausmeister vor Ort. Wenn wir das beibehielten, müssten wir das den anderen ebenfalls anbieten.“

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Von Barbara Hoynacki

Um den Senioren Sicherheit zurück zu geben, hätten die Awo-Mitarbeiter ihnen die Notrufanlage empfohlen. „Die trägt man wie eine Halskette oder ein Armband, damit man im Falle eines Sturzes Hilfe herbeirufen kann.“ Die 34 Euro monatlich würden – falls eine Pflegestufe vorliegt – von der Pflegekasse übernommen.

Wegen des großen Unmutes der Senioren würden seine Mitarbeiter jetzt aber eine Befragung durchführen. „Sollten die Bewohner bereit sein, das komplette Gehalt für die Hausmeisterstelle zu übernehmen, könnten wir jemanden von 8 bis 16 Uhr einstellen“, schlägt Kamps vor. Kostenfaktor: „Rund 30 Euro monatlich pro Mietpartei“.