Oberhausen. Seit 1988 fahren Jahr für Jahr Klassen des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums zur KZ-Gedenkstätte nach Belgien, um dort der Holocaust-Opfer zu gedenken.

Vernichtung von Juden und politischen Gegnern, tägliche Ausgrenzung, Gewalt und Hunger: Schrecklicher Alltag für viele Menschen zwischen 1940 und 1944 im Konzentrationslager Breendonk. Um dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte und die Opfer nationalsozialistischer Grausamkeiten nicht zu vergessen, fuhren 118 Schüler der Jahrgangsstufe neun des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums am Freitag in die KZ-Gedenkstätte „Fort Breendonk“ in Belgien. Die NRZ hat sie begleitet.

Anlass zur Fahrt war dieReichpogromnacht

„Wir haben uns den Tag nicht zufällig ausgesucht – der Grund für diese Fahrt ist die Reichspogromnacht von 1938, die sich am 9. November jährt“, erzählt Michael von Tettau, Schulleiter des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums. Vielerorts, so auch am „Bertha“, wird mit einer Gedenkfeier an das Ereignis erinnert, als auf Befehl des Naziregimes jüdische Geschäfte und Synagogen zerstört wurden und sie tausende Juden in Konzentrationslagern inhaftierten. Seit 1988 wird eine solche Fahrt jedes Jahr organisiert, aber heute sei es für alle etwas Besonderes: „Die Fahrt findet zum 25. Mal statt, ein kleines Jubiläum“, auf das von Tettau auch stolz ist. Zu verdanken sei dies Hanna Schroer, der ehemaligen Schulleiterin des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums, sie habe den Stein ins Rollen gebracht. „Ich habe damals von einem KZ für belgische Widerständler erfahren und dort ehemalige Gefangene kennengelernt, die Führungen anboten“, berichtet sie. Seither sei die jährliche Fahrt zur KZ-Gedenkstätte ein fester Bestandteil des Schulprogramms am „Bertha“.

Pünktlich um 7.30 Uhr geht es mit zwei Reisebussen los. Eine eindrucksreiche Fahrt liegt vor ihnen, viel einprägsamer als so mancher Schultag. Das findet auch Jan-Niklas: „Unterricht ist viel interessanter, wenn man sich die Dinge vor Ort anguckt. Dadurch können wir das Geschehene besser verstehen.“ Oder zumindest versuchen, sich dem Unfassbaren zu stellen.

3500 Gefangene zwischen 1940 und 44 interniert

Von September 1940 bis zum September 1944 sind ungefähr 3500 Gefangene in Breendonk interniert worden.

Breendonk war kein Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau, sondern ein so genanntes Arbeitslager. Rund die Hälfte der Häftlinge überlebte Breendonk allerdings nicht.

Wenn auch klein im Vergleich zu anderen Lagern, war Breendonk ein Ort, wo sich die nationalsozialistische Barbarei bis ins Extrem ausgetobt hat. Information: www.breendonk.be

Um zehn Uhr fahren die Busse auf den Parkplatz vor der Gedenkstätte. Eine bedrückende Stimmung macht sich breit: Stacheldraht, dicke, dunkle Mauern. Das Schild am Eingang macht den Schülern klar, dass es hier um Leben und Tod geht: „Halt! Wer weiter geht, wird erschossen“. Im Inneren des Gemäuers ist es kalt und dunkel – die Schüler bekommen eine Ahnung, unter welchen erbärmlichen Bedingungen die Gefangenen leben mussten. „Wer hier inhaftiert wurde, war kein Mensch mehr. Die Häftlinge wurden wie Tiere gehalten, die den ganzen Tag arbeiten mussten“, erzählt Johan Dielemann, Gruppenleiter der Gedenkstätte Breendonk.

„Wie kann man anderen Menschen so etwas antun?“

Vom Hauptgang geht es in die verschiedenen Räume des Lagers: Aufenthaltsräume der deutschen SS-Männer, Schlafräume und die Küche. Besonders erschreckend für die Schüler: die Folterkammer und Einzelzellen. „Hier haben die SS-Männer versucht, die Häftlinge durch Schläge zum Sprechen zu bringen“, erzählt Dielemann. Fassungslos fragt Max: „Wie kann man anderen Menschen so etwas antun? Das waren doch auch nur Menschen wie wir.“

Genau dieses Nachdenken möchte Schulleiter Michael von Tettau bei den Schülern erreichen: „Diese Willkür, mit der über Menschen geherrscht und gegen sie vorgegangen wurde, soll ihnen bewusst werden. Sie sollen vor ihren Schulkameraden Respekt haben, Kinder mit einem Migrationshintergrund nicht ausschließen und tolerant sein.“ Auch Bürgermeisterin Elia Albrecht-Mainz stimmen die Grausamkeiten nachdenklich: „Wir müssen uns die Brutalität des NS-Regimes immer wieder vor Augen führen, denn ein solcher Ort des Schreckens darf niemals in Vergessenheit geraten“.

Auf dem ehemaligen Hinrichtungsplatz legte die Gruppe zum Abschluss einen Kranz nieder. Mucksmäuschenstill stehen 118 Schüler an einem Ort, an dem Hunderte ihr Leben lassen mussten.