Oberhausen. Bilfinger-Power-Systems-Chef Gerd Lesser über die Zusammenarbeit mit der Oberhausener Stadtspitze beim Bau der Firmenzentrale, hohe Gewerbesteuer, zusätzliche Arbeitsplätze und Flächenbedarf in der Neuen Mitte.
Im Mai haben Sie mit ihrer Mannschaft die neue Unternehmenszentrale bezogen, Mitte Juni war feierliche Einweihung. Wie fühlen Sie sich in Ihrem neuen Zuhause?
Gerd Lesser: Wir fühlen uns hier alle sehr wohl. Das sind moderne, helle Räume im Vergleich zu dem Design aus den 70er Jahren, das wir an der Duisburger Straße hatten. Diese modernen Arbeitsbedingungen kommen bei den Leuten gut an. Es gibt eine eigene Kantine, und die Nähe zum Centro bietet viele Vorteile. Ich glaube, wir haben ein vernünftiges Gebäude an der richtigen Stelle gebaut.
Bilfinger Power Systems hat Wurzeln im früheren Babcock-Borsig-Konzern wie auch der Kraftwerksbauer Hitachi Power Europe. Hitachi hat es vorgezogen, nach Duisburg umzusiedeln. Sie sind geblieben.
Lesser: Wir bekennen uns zu unserer Tradition. Das ist ein Stück unserer Firmenphilosophie. Wenn wir uns im Markt bei Kunden präsentieren, dann stellen wir diese Zugehörigkeit zu unserer Gruppe mit namhaften Firmen wie Babcock, Steinmüller, Duro Dakovic oder Noell heraus. Diese haben eine Geschichte von zum Teil mehr als 100 Jahren. Diese Expertise verkörpert sich im Know-how unserer Mitarbeiter. Der wesentliche Teil – Babcock – ist nun mal Oberhausen. Und deswegen haben wir gesagt: Wenn die Rahmenbedingungen hier in der Stadt passen, dann gibt es für uns keinen Grund wegzugehen.
Tradition ist aber nicht alles.
Lesser: Sicher gab es viele Alternativen: Düsseldorf, Ratingen, Essen, Duisburg etwa. Die hätten sich alle gefreut, wenn wir gekommen wären. Wir wollten aber auch die Veränderungen für die Mitarbeiter in Grenzen halten. Haben also geschaut: Wo wohnen welche Mitarbeiter, wie verändern sich deren Anfahrtswege bei Standort A, B oder C. Punkte wie verkehrstechnische Erschließung, Anfahrtswege der Mitarbeiter und eben auch die Tradition haben letztendlich den Ausschlag gegeben.
Wie würden sie Ihre Zusammenarbeit mit der Politik und der Stadtverwaltung in Oberhausen bei der Realisierung Ihres Neubaus am Centro beschreiben?
Lesser: Ich war immer im permanenten Kontakt mit Oberbürgermeister Klaus Wehling, der darauf geachtet hat, dass wir uns nicht verlaufen. Die Unterstützung der Stadt war von der ersten Sekunde an voll da – und das parteiübergreifend. Wir haben innerhalb von vier Wochen die Baugenehmigung gehabt. Ich glaube, das ist ein Rekord. Das ist exzellent gelaufen. Schneller geht’s nicht. Auch die Zusammenarbeit mit der Centro GmbH war gut, denn die waren ja die Grundstückseigentümer. Da hat sich auch die Stadt mit eingesetzt, dass es gut läuft. Bei dem ganzen Thema Erwerb des Grundstückes und Baugenehmigung gab es nichts zu beanstanden.
Wunschlos glücklich, also?
Lesser: Einen Wunsch hätten wir schon noch: Dass die Stadt uns dabei hilft, von der Centroallee eine Linksabbieger-Spur zu bekommen, um besser erreichbar zu sein.
Und wie sieht es bei der Gewerbesteuer aus? Die hat Oberhausen noch einmal kräftig angehoben.
Lesser: Es gefällt uns natürlich nicht, dass der Hebesatz so hoch ist. Aber vielleicht bewegt er sich auch mal wieder nach unten. Wir sind bei der Standortanalyse in anderen Städten mit anderen Hebesätzen konfrontiert worden – haben das aber nicht zum letzten Entscheidungskriterium gemacht. Wir würden uns aber schon freuen, wenn sich Oberhausen dem Durchschnitt von Nordrhein-Westfalen mal wieder ein bisschen anpassen würde. Da geben wir die Hoffnung nicht auf. Wir sind ein relativ großer Steuerzahler und werden dafür sorgen, dass noch etwas mehr Steuer für Oberhausen anfällt. Vielleicht führt das dazu, dass sich der Hebesatz mal wieder nach unten entwickeln kann.
350 Mitarbeiter haben die neue Firmenzentrale an der Europaallee bezogen. Platz ist durch einen Anbau aber für 500 Beschäftigte. Darf Oberhausen darauf setzen, dass Bilfinger Power Systems hier weitere, neue Arbeitsplätze schafft?
Lesser: Eine unserer Tochterfirmen ist die Bilfinger Piping Technologies (BPT), früher EHR, in Essen. Wir haben beschlossen, dass diese Einheit mit 240 Mitarbeitern nach Oberhausen kommt. Die ersten Mitarbeiter werden im Oktober/November die Erweiterung des Gebäudes beziehen, der Rest folgt dann, so dass die Verlagerung im 1. Quartal, spätestens im 2. Quartal 2014 abgeschlossen ist. Damit ist der Firmensitz der BPT in Oberhausen und nicht mehr in Essen. Das neue Bürogebäude wird dafür gar nicht ausreichen. Deshalb sind wir in Verhandlungen über das Gebäude direkt gegenüber: der bisherigen Heine-Bau-Zentrale. Das gehört der Babcock Pensionskasse. Wir wollen in diesem Gebäude Flächen anmieten.
Energiewende rückt Auslandsmärkte ins Visier
Kommen wir zu Ihrer Geschäftsstrategie: Die Energiewende hat den Druck auf die Betreiber konventioneller Kraftwerke in Deutschland massiv erhöht. Welche Folgen hat das für Ihr Geschäft und wie stellen Sie sich darauf ein?
Lesser: Die gegenwärtige Situation ist eigentlich untragbar und für Leute, die in der Branche tätig sind, wirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass nach der Wahl das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert wird, denn diese ungerechtfertigte Subventionierung bestimmter Energieträger passt nicht mehr. Weder Kohle-, Gas- noch Nuklearanlagen lassen sich heute wirtschaftlich betreiben. Die Eingriffe und Regulierungen sind so groß, dass Energieversorger nicht mehr Herr ihrer Anlagen sind. Diese nicht akzeptable Situation entzieht unseren Kunden die Grundlage für Investitionsentscheidungen. Das betrifft dann auch uns. Zudem fehlt es in der Bevölkerung an der Akzeptanz für neue Anlagen. Wir haben aber ein breites Portfolio. So glauben wir, dass die Modernisierung alter Anlagen ein guter Kompromiss sein könnte.
Im Ausland werden aber noch Kraftwerke gebaut.
Lesser: Dort sind Projekte in jeglicher Hinsicht vorhanden, ob Neubau oder Modernisierung. Da geht es um alle Typen: Kohle-, Gas-, Kernkraftwerke – das volle Programm. Das zwingt uns zu mehr Internationalität. Vor vier oder fünf Jahren hatten wir 50 Prozent unseres Geschäftsvolumens in Deutschland, heute sind es 30 Prozent. Und dieser Trend wird sich fortsetzen. Das bringt neue Herausforderungen an unsere Mannschaft. Wir müssen uns da richtig aufstellen. Der Energiebedarf steigt weltweit, der Mix ändert sich. Unser Markt wächst also. Wichtig ist, dass wir mit unserem breiten Portfolio an vielen Stellen dabei sind.
Man kann den Umbau der deutschen Energielandschaft aber auch als Chance begreifen. Wie kann Ihr Unternehmen von der Energiewende und dem wachsenden Einsatz erneuerbarer Energien profitieren?
Lesser: Für uns ist Windkraft ein Servicethema, das wir ausbauen wollen. Bilfinger ist bei Windanlagen auf See sehr aktiv. Wir sind bei allen Themen irgendwo dabei, auch bei kleinen Anlagen. So haben wir eine Mikrogasturbine als kleine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage entwickelt. Neue Chancen ergeben sich auch beim Rückbau von Kernkraftwerken. Eben haben wir mit EnBW eine Partnerschaft vereinbart für den Rückbau in Neckarwestheim und Philippsburg. Da geht es um langfristige Verträge von rund 30 Jahren.
Wachstum auch durch Zukäufe
Auch 2012 hat sich Ihre Gruppe vergrößert. Wie wollen Sie weiteres Wachstum generieren – eher aus eigener Kraft oder eher durch Zukäufe?
Lesser: Der Fokus liegt auf beidem. Unser Ziel ist es, ein jährliches organisches Wachstum in der Größenordnung von sieben bis acht Prozent zu erreichen mit unseren vorhandenen Einheiten. Aber auch das Thema Akquisition ist nach wie vor aktuell. Wenn wir im Ausland Kapazitäten aufbauen wollen, ist eine Akquisition der schnellere Einstieg. Wir haben drei Regionen schwerpunktmäßig im Blick: Osteuropa, USA und Südostasien.
Damit auch künftig Mitarbeiter zu Ihnen kommen: Wie rekrutieren Sie den für das Firmenwachstum nötigen Nachwuchs?
Lesser: Wir haben einen guten Ruf im Markt, bei uns bewerben sich Leute. Zudem arbeiten wir eng zusammen mit den Hochschulen der Region. Wir haben auch sehr gute Erfahrungen gemacht – gerade in Nordrhein-Westfalen – mit der dualen Ausbildung: Junge Menschen erlernen bei uns einen Beruf und studieren parallel. Leute, die in der Lage sind, das zu bringen, legen bei uns einen exzellenten Start in das Berufsleben hin. Dritte Säule ist unsere Ausbildung im gewerblichen Bereich. Wir bilden noch selbst aus, in Voerde-Friedrichsfeld. Zudem startet im November ein großes Weiterbildungsprogramm unter dem Namen Power Academy für Mitarbeiter. Das zusammengenommen passt zu unserer Geschäftsphilosophie „Vieles selber machen in guter Qualität“ – dazu braucht man gute Leute. Da investieren wir viel.