Oberhausen.
Leider haben wir einen Wahlkampf erlebt, der sich über weite Strecken intensiv mit Tralala statt Inhalten beschäftigte – billige Weine, farbige Halsketten, merkwürdige Fingerhaltungen. Man könnte den Eindruck gewinnen, Deutschland habe keine richtigen Probleme.
Viele Menschen wissen es besser: Langzeitarbeitslose, Stress-erkrankte Arbeitnehmer, Ältere mit Minirenten, die besorgt auf steigende Energiepreise schauen, Betriebe, denen es auch aufgrund mieser Leistungen der Schulen an Fachkräften mangelt, die fast vergessenen Soldaten in Afghanistan, Angehörige pflegebedürftiger Eltern, Handwerker, bedrängt durch rumänische Billiglohn-Wanderarbeiter, die Sparer, die ihr Geld durch Euro-Niedrigzinsen verlieren, die Einwohner in den armen Städten der Republik.
Parteien haben Boden gut gemacht
Erst in den letzten Tagen haben Parteien Boden gut gemacht und begonnen, über ihre Lösungen zu diskutieren. Aber nicht nur die Parteien haben eine Bring-, die Wähler haben auch eine Holschuld. Wer will, konnte sich informieren – auch in der WAZ. Doch leider breitet sich eine Haltung aus, statt über Inhalte nur über Gimmicks zu reden.
Kein Wunder, dass sich der völlig falsche Eindruck verfestigt, die Parteien seien ja ohnehin alle gleich. Das ist eindeutig nicht so: Die beiden Lager Schwarz-Gelb und Rot-Grün unterscheiden sich wesentlich nicht nur in ihren Lebensanschauungen, sondern auch in ihren Lösungsansätzen für Deutschland.
Wer zahlt für Energiewende?
Muss armen Städten geholfen werden oder sind sie selbst schuld? Sollte die soziale Kluft verkleinert werden oder schadet das der Wirtschaft? Benötigen wir einen Mindestlohn für alle oder eine Lohnuntergrenze je nach Branche? Soll die Rente mit 67 abgemildert werden oder ist sie notwendig? Und wer zahlt wie viel für die Energiewende?
Am Sonntag hat jeder die Wahl. Wer dies nicht nutzt, nützt nur den Extremen. Denn deren Klientel geht auf jeden Fall hin.