Oberhausen. Schulsozialarbeiter können Kollegien entlasten, Eltern unterstützen und sozial benachteiligten Schülern helfen, ihre Entwicklungspotenziale besser zu nutzen.
Wenn der achtjährige Nico über Tische und Bänke geht, massiv den Unterricht stört und in den Pausen ganz offensichtlich Streit sucht, dann gibt’s dafür wahrscheinlich einen Grund. Der muss nicht unbedingt etwas mit der Schule zu tun haben – aber das herauszufinden, ist für seine Klassenlehrerin mitunter nicht ganz leicht. Schließlich beanspruchen 27 weitere Kinder ihre Aufmerksamkeit. Seit einiger Zeit können sich Lehrer in solchen Situationen Unterstützung erhoffen – durch Schulsozialarbeiter, die in der Regel bei einem Wohlfahrtsverband wie der Caritas angestellt sind, und in die Schulen gehen, wo sie das Kollegium ergänzen und bereichern.
Auch an der Luisenschule gibt es eine Kollegin, die in solchen Fällen einen entsprechenden Wink bekommt. Sie kann dann am Nachmittag, im Offenen Ganztag, diesem Kind mal besondere Aufmerksamkeit angedeihen lassen, um seinen kleinen oder größeren Problemen auf die Spur zu kommen: „Das ist ein absoluter Segen“, sagt Roswitha Spitzley, Leiterin der Luisenschule. Die erfahrene Pädagogin erläutert: „Die gesellschaftlichen Veränderungen sind in der Schule angekommen. Es ist deutlich zu spüren, dass der Unterstützungsbedarf der Familien immer mehr zugenommen hat.“ Gerade deshalb sind sie und ihre Kollegen dankbar für die Unterstützung, die sie durch Schulsozialarbeiter bekommen.
„Warum bist du heute so?“
„Der große Vorteil der Schulsozialarbeiter ist, dass sie flexibel reagieren können, mal Prioritäten auf einzelne Kinder setzen, zum Beispiel“, erklärt Stephan Lensing, der beim Caritasverband den Bereich Schule leitet. Schon ein bisschen ungeteilte Aufmerksamkeit im Offenen Ganztag und die beim Spielen scheinbar beiläufig gestellte Frage „Warum bist du heute so?“ kitzele mitunter heraus, welchen Frust das Kind abzubauen versucht, indem es in der Schule ausflippt. Hilfreich ist dabei, dass die Sozialarbeiter eben keine Lehrer sind – weil Schüler aus Angst um ihre Noten häufig doch Hemmungen haben, sich Lehrern voll und ganz anzuvertrauen.
Nicht nur die Kinder bauen so nach und nach ein Vertrauensverhältnis zu „ihrem“ Schulsozialarbeiter auf, sondern auch die Eltern, die immer wieder auf ein vertrautes Gesicht treffen, wenn sie ihre Sprösslinge zum Ganztag bringen oder von dort wieder abholen. Das mache es häufig allen Seiten leichter, auch mal Probleme ansprechen zu können: „Wir können im zwanglosen Gespräch auch Ängste davor nehmen, Hilfen wie Erziehungsberatungsstellen oder auch Unterstützung durch Familienhelfer des Jugendamts anzunehmen“, weiß Lensing, der selbst an einer Hauptschule aktiv in der Schulsozialarbeit tätig ist. „Wichtig ist, dass wir den Eltern nicht mit Vorwürfen kommen, sondern uns als Partner für ihre Familie anbieten. Schließlich haben wir doch alle ein wichtiges gemeinsames Interesse: das Optimale für jedes Kind herauszuholen.“
So entstehe nach und nach ein Vertrauensverhältnis – „und damit die Riesenchance, sozial benachteiligten Kindern zu helfen und dazu beizutragen, dass sie sich trotzdem gut entwickeln können“, sagt Caritas-Sprecher Reinhard Messing. Und das sei am Ende sogar eine Frage eine Frage der Gerechtigkeit: „Schließlich ist die Leistung der Kinder nicht nur von ihrer Intelligenz abhängig“, macht Lensing deutlich. Auch die Rahmenbedingungen sind nicht ganz unwichtig für den Lernerfolg.
Elternsprechstunden und Streitschlichter-Projekte
Nicht nur, wenn akute Probleme vorliegen, ist Schulsozialarbeit hilfreich: „Wir können uns dadurch auch den Luxus leisten, mal kleinere Gruppen zu bilden“, erzählt Schulleiterin Spitzley: „Dann kann man mit der einen Klassenhälfte intensiv lernen, während die andere Hälfte soziales Verhalten übt.“
Weitere Aufgabenfelder: Sind Eltern mit einem Lehrer unzufrieden, können Schulsozialarbeiter zwischen beiden Parteien vermitteln. Rasseln in der Pause Streithähne aneinander, sind Schlichter-Qualitäten gefragt – auch die haben Schulsozialarbeiter erworben und geben sie nicht selten in entsprechenden Projekten auch an interessierte Schüler weiter. Daneben liegen Angebote wie Elternsprechstunden, Gruppen- und Projektarbeit (zum Beispiel zum Thema Mobbing) sowie die Kontaktpflege zu Vereinen und Institutionen im Stadtteil oft in den Händen von Schulsozialarbeitern.
Mit Schrecken denken Schulleiter daran, wie es sein würde, wenn die mit dem Bildungs- und Teilhabegesetz geschaffenen zusätzlichen 26 Stellen nicht weiterfinanziert würden, wie’s derzeit zu befürchten ist.