Oberhausen. .

Heike Weber erinnert sich noch genau an den blauen Brief, den sie mal in der achten oder neunten Klasse in Englisch bekommen hat. „Daran hatte ich lange zu knacken“, sagt die Rektorin der Albert-Schweitzer-Hauptschule, „meine Eltern sind fast tot umgefallen, das waren schwarze Tage“.

Wie es dazu kommen konnte? „Ich habe keine Vokabeln gelernt“, meint die 62-Jährige selbstkritisch, „ich war faul, dachte ‘ich bin doch gut, ich muss nix tun’“. Der Schuss vor den Bug entfaltete pädagogische Wirkung, die Teenagerin setzte sich hin und lernte. „Heute unterrichte ich das Fach“, sagt die Lehrerin für Englisch und Deutsch.

Zeugnis-Rituale

Latein ab der fünften Klasse, dazu Englisch und Französisch – „ich habe darunter gelitten, dass ich 50 Prozent der Schulzeit am Gymnasium mit Sprachen verbringen musste“, erinnert sich Wolfgang Jungbauer, Konrektor der Friedrich-Ebert-Realschule sowie Erdkunde- und Mathelehrer, „da musste ich doch sehr kämpfen“.

Ein Zeugnis-Ritual gab es im Hause Geßwein. „In der Küche guckten sich die Eltern und Oma und Opa die Noten an. Mein Vater hatte eine Liste aufgesetzt: Danach gab es für eine Eins eine Mark, für eine Zwei 50 Pfennig und so weiter“, erzählt Reiner Geßwein, Leiter der Heinrich-Böll-Gesamtschule. „Das war ein Ansporn für mich und eine Form der Gerechtigkeit.“ Das Geld investierte der damalige Schüler in seine Fleischmann-Eisenbahn und in Lego.

„Wichtig ist, eigene Ziele zu entwickeln“

Dass ein Schüler mit guten Noten mit Geld belohnt wurde, empfand Marc Bücker, Leiter des Hans-Sachs-Berufskollegs, nach eigener Aussage in seiner Schulzeit als „Ungerechtigkeit“. Eine Note sei die Übersetzung einer Leistung in eine Ziffer, „aber dabei gibt es auch Übersetzungs- und Interpretationsfehler“, meint Bücker. „Wichtig ist, eigene Ziele zu entwickeln.“

„Es gab Stärken und Schwächen“, blickt Michael von Tettau, Direktor des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums, zurück. „Ich war kein Überflieger, sondern ein ganz normaler Schüler. Aber ich bin gerne in die Schule gegangen.“ Lehrern, die selbst immer nur Einsen auf dem Zeugnis gehabt hätten, könnte es schwerer fallen, Verständnis für Schüler mit schlechten Noten aufzubringen, so die Erfahrung des Schulleiters.

„Ich habe mal einen eine Din A-4-Seite langen Tadel erhalten“, sagt Anne-Frank-Realschulleiterin Ursula Niemann. Der Lehrer formulierte es anders, übersetzt kritisierte er, dass der Teeanger Niemann frech sei und Widerworte gebe. Es gab Ärger zu Hause – bis die Eltern den Lehrer selbst kennen lernten, „danach haben sie mich verstanden“.