Oberhausen. Einschätzung der Grundschule ist nicht bindend, kann aber für Unmut sorgen. Migranten-Eltern fühlen sich manchmal besonders benachteiligt.
Zwei Jungen, die in dieselbe Grundschulklasse gehen. Der eine, nennen wir ihn Felix, hat am Ende der vierten Klasse einen Notendurchschnitt von 2,7. Der andere Junge, nennen wir ihn Ferhat, schafft einen Schnitt von 2,3. Die Schulempfehlung für Felix lautet Gymnasium, wenn auch eingeschränkt, für Ferhat jedoch: Realschule.
Das ist eine systematische Ungerechtigkeit, beklagt ein türkischer Elternverein in Duisburg, wo die Zeugnisse für Felix und Ferhat ausgestellt wurden. Kindern mit Migrationshintergrund werde das Gymnasium seltener zugetraut. Wie sieht es in Oberhausen aus?„Das Thema kenne ich“, sagt Ercan Karahan, Eltern- und Schülerberater bei der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Zuwandererkindern (RAA). Doch er schränkt ein: „Alle Eltern sind enttäuscht, wenn ihrem Kind die Hauptschule oder sogar die Förderschule empfohlen wird, egal ob es Migranten sind oder nicht.“
Kein Rassismus
Häufig fehle das Verständnis dafür, warum die Empfehlung so ausgefallen ist; hierbei spielten nicht nur die Noten eine Rolle. „Oft ist es mangelnde Sprachkompetenz, die wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit aus. Da denkt der Lehrer: Auf der Hauptschule wird das Kind mehr Erfolgserlebnisse haben.“
Natürlich gebe es Fehlurteile, so Karahan, der selbst als Lehrer an Hauptschulen gearbeitet hat, „aber keine arglistigen“. Jeder Fall müsse einzeln betrachtet werden. Genauso wenig wie man von Ungleichbehandlung oder gar Rassismus in Grundschulen sprechen könne, könne man alle Einwanderer über einen Kamm scheren.
Mann muss fair bleiben
„Es gibt Eltern, die engagiert sind, die mit ihrem Kind in die Bibliothek gehen und vorlesen. Und es gibt Ehegattennachzug mit völlig unterschiedlichem kulturellem Hintergrund.“ Insgesamt erlebe er insbesondere die türkischen Eltern als überaus besorgt um die schulische Laufbahn ihrer Kinder, oftmals sogar mehr als eine gelassenere deutsche Elternschaft.
„Die haben andere Ängste“, sagt Karahan. In Streitfällen fehle es jedoch an Empathie sowohl auf Lehrer- als auch auf Elternseite. Man müsse fair bleiben, sagt Karahan. Und: „Die Opferrolle bringt auch nicht weiter.“
Zu früher Schulwechsel
Auch Christel Ostermann, Leiterin der Brüder-Grimm-Schule, kennt „viele Migranteneltern, die ganz, ganz leistungsorientiert sind“, die verstanden hätten, „dass Bildung der Schlüssel zu einer besseren Stellung in der Gesellschaft ist“. Die Empfehlung für eine Schulform habe jedoch nichts mit dem Migrationshintergrund der Familie zu tun. „Die Arbeitshaltung der Kinder ist das Wichtigste“, sagt die Pädagogin. Aber: „Es ist sehr schwierig, Schulerfolg zu prognostizieren.“ Dafür finde der Wechsel zu früh statt.
Natürlich fließe auch die Beurteilung des häuslichen Umfelds in eine Empfehlung ein, sagt Dorothea Stappert, Leiterin der Erich-Kästner-Schule, „aber das hat nichts mit dem Migrationshintergrund zu tun“. Auch wenn es den schulischen Werdegang erleichtere, wenn das Kind einen eigenen Arbeitsplatz zu Hause habe, sei die Arbeitshaltung des Kindes, insbesondere seine Selbstständigkeit, ausschlaggebendes Kriterium.
Zu Konflikten mit Migranten-Eltern sei es wegen der Schulempfehlung an beiden Schulen trotz hoher Anteile an der Schülerschaft nicht gekommen. „Unsere großen Probleme sind bildungsverhindernde Elternhäuser“, sagt Christel Ostermann. Gewalt, Alkohol, Drogen spielten hier die Hauptrolle. Und das unabhängig von der Herkunft.
„Eine Frage der sozialen Herkunft“
„Beschwerden sind mir nicht zu Ohren gekommen“, sagt Stefan Zimkeit, schulpolitischer Sprecher der Oberhausener SPD, aber es sei nicht auszuschließen, dass Ungerechtigkeiten bei Schulempfehlungen geschehen. „Das zeigen landesweite Zahlen.“ Die Übergangsquoten zum Gymnasium seien mit Migrationshintergrund niedriger: „Das ist eine Frage der sozialen Herkunft.“ Nicht Rassismus stecke dahinter, sondern eine Art übertriebener Vorsorge. Sein Lösungsvorschlag: „Möglichst viele Sekundarschulen, auf die möglichst viele Migrantenkinder gehen.“
Yusuf Giraz, Vorsitzender des Integrationsrates, kann auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. „Ich musste viel kämpfen, damit meine Tochter aufs Gymnasium konnte.“ Er appelliert jedoch auch an Eltern: „Wenn ein Kind auf dieser Schulform ist, muss man sich darum kümmern.“