Oberhausen. CDU und FDP verteidigten Merkels Politik als solide und familienfreundlich. Die Opposition beklagte die Belastung der Kommunen und soziale Ungleichheit.

Es war eine seltene Chance, die sich den Oberhausener Wählern am Montagabend bot: Alle sechs Kandidaten, die hier am 22. September bei der Bundestagswahl kandidieren, stellten sich drei Stunden lang beim Stadtgespräch im Bert-Brecht-Haus den Fragen der Bürger. Recht aufgeladen war die Diskussion, zu der die WAZ, die VHS und „Arbeit und Leben“ eingeladen hatten: Die 100 Besucher brachten im aufgeheizten Saal ihre Kandidaten mit kritischen Fragen und Zwischenrufen ins Schwitzen.

Für Wahlkampfstimmung sorgte die stets leidenschaftliche Bärbel Höhn: Es reiche nicht, nett und solide auszuschauen wie Kanzlerin Merkel (CDU), die „wie ein Fähnlein im Wind“ beim Atomausstieg agiert habe. „Mit Schwarz-Gelb gibt es Billigschnitzel und Massentierhaltung zulasten der Verbraucher. Wir wollen den Wechsel.“

Dött: Wahlfreiheit für Eltern

Heftig war Höhns Kritik am Betreuungsgeld, das wiederum Marie-Luise Dött (CDU) als Beispiel für gelungene Familienpolitik heranzog: „Man muss die Freiheit haben, zu wählen zwischen Betreuungsformen.“ Merkels Regierung habe sich für einen stabilen Euro, sichere Arbeitsplätze und eine Entlastung der Kommunen eingesetzt.

Dirk Vöpel (SPD) hielt dagegen: Der Bund investiere bei weitem nicht genug in die Kommunen. Im Rat hätten konstruktive Debatten nachgelassen, weil „nur ein Notstand verwaltet wird“. Wer einer klammen Stadt das Sparen diktiere, der „verschreibt einer Magersüchtigen auch das Fettabsaugen“.

Ein „statistisches Schönreden“ warf Niema Movassat (Linke) der schwarz-gelben Bundesregierung vor. Die soziale Ungerechtigkeit im Land nehme dramatisch zu, weil bei den Ärmsten gespart werde, die Reichsten aber entlastet würden.

Dorothea Dresenkamp (FDP) wehrte sich gegen den Vorwurf, Schwarz-Gelb habe nichts bewegt: „Wir haben Bürokratie abgeschafft und uns für die hiesige Wirtschaft eingesetzt.“ Unternehmerisches Missmanagement wie bei Opel habe man nicht mit Mitteln aus dem Steuerhaushalt unterstützt.

Pirat Andreas Ronig plädierte für Sachpolitik und ist gegen Lagerkämpfe: „Manchmal sind wir auf SPD-Linie und manchmal macht die CDU einen guten Vorschlag.“

Waffenexporte und Abzug der Soldaten 

„Jede Waffe findet ihren Krieg“ - mit deutlichen Worten sprachen sich der Bundestagkandidat der Linken, Niema Movassat (28), entschieden gegen Rüstungsexporte und für einen sofortigen Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan. Brigitte Köjer von der Friedensinitiative hatte eine hitzige, von Zwischenrufen begleitete Debatte zu den Waffenexporten angestoßen.

Einschränken oder gar verbieten solle man diese, sagte SPD-Kandidat Dirk Vöpel. Die Forderung der Grünen, den Bundessicherheitsrat abzuschaffen und den Bundestag über Entschlüsse zu Waffenexporten zu informieren, bekräftigte Bärbel Höhn (Grüne).

Und wie steht es mit dem Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan? Andreas Ronig (Piraten) fand plakative Worte für den Abzug: „Brunnen zu bauen ist nicht die Aufgabe der Bundeswehr.“

Pauschal über Einsätze der Bundeswehr sei nicht zu urteilen, meinte Vöpel (SPD): „Das sind Einzelfallentscheidungen“ - die nicht leicht fallen, sagte Marie-Luise Dött (CDU), seit 1998 Mitglied im Bundestag. Sie kenne Soldaten, die in Afghanistan waren, sagte Dorothea Dresenkamp (FDP): „Für sie ist das kein leichter Job.“

Innere Sicherheit

Teilnehmer Herbert Konrads zeigte sich besorgt über die steigende Zahl an Wohnungseinbrüchen in der Stadt und fragte, was die Politik dagegen zu tun gedenke.

Grünen-Politikerin Bärbel Höhn sagte, das dramatische Problem sei schwer zu lösen. „Ich glaube aber, dass die Polizeipräsidentin ganz gute Konzepte zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen macht“, zeigte sich Höhn optimistisch.

Dirk Vöpel (SPD) stimmte ihr zu: „Wir in Oberhausen haben uns auf einen guten Weg gemacht und in die Prävention für einen besseren Schutz von Wohnungen investiert.“ Vöpel schränkte jedoch ein: „Absolute Sicherheit gibt es nicht.“

Marie-Luise Dött (CDU), Mitinhaberin eines Juweliergeschäftes: „Ich komme aus einer Branche, in der leider immer mehr mit privaten Wachleuten gearbeitet werden muss.“ Zwei Überfälle hätten sie schon erlebt. „Viele Einbrüche werden als Bagatelldelikte gesehen, die Täter bleiben auf freiem Fuß.“

Nebenverdienste der Abgeordneten

„Stadtgespräch“-Zuhörer fragten scharf nach, ob Politiker über lukrative Nebenverdienste von Lobbyisten eingekauft werden können.

Alle Kandidaten verneinten das zwar, forderten aber mehr Transparenz auf Euro und Cent wie Dorothea Dresenkamp (FDP): „Alle Nebenjobs sollten öffentlich gemacht werden.“ Linken-Abgeordneter Movassat sagte: „Bei einer 60-Stunden-Woche habe ich keine Zeit für eine Nebentätigkeit.“ Nebentätigkeiten sollten weitgehend verboten, die Finanzierung von Parteien durch Konzerne aufgegeben werden. Zeit für Nebenjobs fehlt auch Höhn. Nur für Vorträge habe sie Geld erhalten, aber immer gespendet. „Ich verdiene als Mitglied des Bundestages genug.“

Marie-Luise Dött (CDU) kritisierte, dass Abgeordnete oft als korrupt dargestellt würden. Um aus jeder Schicht Leute ins Parlament zu bekommen, müssten diese in ihrem eigentlichen Beruf bleiben und zurückgehen zu können.