Berlin. . Vor dem Parteitag macht die Vize-Chefin der Linken, Sahra Wagenknecht, der SPD ein Kooperations-Angebot – und stellt dafür Bedingungen. Im Interview kritisiert sie die Krisenpolitik und spricht sie über das mögliche Scheitern des Euro. Dass sie der Playboy zur zweitschönsten Politikerin Deutschlands kürte, nehme sie mit Humor.

Sie hatte es satt, dass ihr Kollegen die Wirtschaftskompetenz absprachen. Also hat Sahra Wagenknecht den Doktor in Volkswirtschaft gemacht. Im Interview spricht die Vize-Chefin der Linken über Plagiatejäger, den Streit um den Euro im Vorfeld des am Freitag startenden Parteitags – und über gutes Aussehen bei Politikerinnen.

Die Linke hat zuletzt um die Zukunft des Euro gerungen. Steht die Partei ohne Wenn und Aber zum Euro?

Sahra Wagenknecht: Man kann nicht ohne Wenn und Aber zu einem falsch konstruierten Währungssystem stehen. Wir wollen die Politik so verändern, dass der Euro eine Perspektive hat. Die Kürzungsdiktate treiben die Wirtschaft der betroffenen Länder in eine immer tiefere Krise. Wenn man sie vor die Wahl stellt, 25 Prozent Arbeitslosigkeit und einen Zusammenbruch der Gesundheits-Versorgung und nahezu der gesamten öffentlichen Infrastruktur hinzunehmen oder den Euro zu verlassen, werden sie sich irgendwann für Letzteres entscheiden.

Oskar Lafontaine hat die Rückkehr zu nationalen Währungen ins Gespräch gebracht. Hat diese Debatte der Linken geschadet?

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Wagenknecht: Es spricht für die Linke, dass sie über Auswege diskutiert, statt sich Merkels „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ zu unterwerfen, wie es die SPD tut. Lafontaine hat ein neues europäisches Währungssystem gefordert, in dem nicht die Spekulation über die Wechselkurse bestimmt. Das ist ein entscheidender Unterschied zur AfD, die die Wechselkurse den Banken und Spekulanten überlassen will.

Parteichefin Kipping hat Lafontaines Euro-Äußerungen als unrealistisch bezeichnet. Hat sie Recht?

Wagenknecht: Man kann dazu unterschiedlicher Meinung sein. International renommierte Ökonomen wie Krugman und Stiglitz teilen jedenfalls die Ansicht, dass der Euro in der jetzigen Verfassung keine Zukunft hat.

Rechnen Sie mit größeren Debatten zum Euro auf dem Parteitag?

Wagenknecht: Ich sehe keinen Bedarf. Es gab eine missverständliche Formulierung im Programmentwurf, die verändert wurde. Jetzt heißt es, dass ein Ende der Austeritätspolitik Voraussetzung für den Fortbestand des Euro ist. Wir brauchen höhere Löhne und bessere Sozialleistungen in Deutschland, nur dann können die Ungleichgewichte in Europa überwunden werden. Geschieht das nicht, wird es in absehbarer Zeit den Euro nicht mehr geben.

Befürchten Sie nicht, dass die Linke wegen der AfD aus dem Bundestag fliegen könnte?

Wagenknecht: Nein. Die AfD hat zwar in der Kritik an Merkels Eurokurs manches von uns abgeschrieben. Aber sie plädiert ausdrücklich für den Fortbestand von Niedriglöhnen in Deutschland. Rentenarmut, Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse sind für sie kein Thema. Das kann für unsere Wähler nicht attraktiv sein.

Was wäre bei der Bundestagswahl ein gutes Ergebnis?

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Wagenknecht: Wir stehen aktuell zwischen 7 und 9 Prozent. Wenn es noch etwas mehr würde, würde ich mich sehr freuen.

Ist Oskar Lafontaine im Wahlkampf unverzichtbar?

Wagenknecht: Er gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten der Linken. Deshalb wird er eine wichtige Rolle spielen.

Sehen Sie nach der Wahl irgendeine Chance auf ein Linksbündnis?

Wagenknecht: Die SPD treibt ein falsches Spiel. Sie hat einerseits Dinge ins Wahlprogramm geschrieben, die links klingen und wo es Überschneidungen zu uns gibt. Andererseits schließt sie aus, mit uns zu kooperieren. Aber will sie das etwa mit der CDU oder der FDP umsetzen? Wir haben immer gesagt: Wenn es die Chance auf einen Mindestlohn von zehn Euro gibt, auf eine auskömmliche Rente ab 65, auf ein Ende der Hartz-IV-Schikanen, der Leiharbeit und der Hungerlohnjobs und wenn die Bundeswehr aus dem Ausland zurückgeholt wird, dann sind wir zur Kooperation bereit.

Sie sind seit kurzem Doktor der Volkswirtschaft. Was hat Sie zur Dissertation angespornt?

Wagenknecht: Ich hatte den herablassenden Hinweis satt, dass ich doch studierte Philosophin und Literaturwissenschaftlerin sei und daher wohl kaum kompetent, mich zu Wirtschaftsfragen zu äußern. Gerade männliche Kollegen tun gerne so, als hätten Frauen von Ökonomie keine Ahnung und Linke schon gar nicht.

Haben die jüngsten Plagiatsaffären Ihre Arbeit beeinflusst?

Wagenknecht: Nein. Meine Arbeit beruht auf einem eigenen Modell. Da kann man nicht abschreiben.

Gehen Sie davon aus, dass Plagiatsjäger Ihre Arbeit prüfen?

Wagenknecht: Sicher. Aber das sollen sie gerne tun.

Laut Playboy sind Sie die zweitschönste Politikerin Deutschlands. Schmeichelt das?

Wagenknecht: Mit solchen Etiketten sollte man humorvoll umgehen.

Ist gutes Aussehen für Politikerinnen ein Vor- oder Nachteil?

Wagenknecht: Es ist ein Problem, dass man bei Frauen viel stärker als bei Männern aufs Äußerliche achtet. Wenn statt über meine Argumente über meine Frisur, meine Kostüme oder meinen Schmuck geschrieben wird, nervt das schon.