Oberhausen. Karin Niermann hält der Stadtbibliothek seit sechs Jahrzehnten die Treue.
„Oma, Oma, hast du uns Bücher mitgebracht?“ So wird Karin Niermann bestürmt, wenn sie ihre Enkelkinder in Schwerin besucht. Und immer hat sie etwas in der Tasche, „Glitzerbücher oder Pop Ups“. Die 69-Jährige freut sich über die Leselust der Kleinen, an der die Großmama bestimmt nicht ganz unschuldig ist: Seit 60 Jahren schon ist sie Stammkundin der Stadtbibliothek.
Kaffee, Pralinen und ein Lesesessel
Von 13 bis 16 Uhr ist bei Karin Niermann Lesezeit. Dann legt sie die Beine hoch in ihrem Lesesessel am Fenster, neben sich eine Tasse Kaffee mit viel Milch und ein paar leckeren Pralinen. Nichts und niemand darf sie jetzt stören, das weiß auch ihr Lebensgefährte. „Er sammelt alle Fragen, die er an mich hat und kommt damit erst um 16 Uhr“, erzählt sie schmunzelnd. Lesen ist für die gelernte Rechtsanwalts- und Notariatssekretärin ein Genuss. „Diese Zeit ist heilig“, sagt sie, „sonst komm ich nicht dazu“.
Die richtige Atmosphäre, ein bisschen Ruhe „und ich bin weg“. Karin Niermann braucht ihre tägliche Auszeit. Um abzuschalten von ihrem Job, bei dem sie Unterricht für Zirkuskinder vorbereitet, und der nicht immer leichten Betreuung ihrer alten Mutter – von der sie die Liebe zum Lesen geerbt hat. „Die ist jetzt 98 und liest immer noch!“
Früher, als Karin Niermann ein kleines Mädchen war und noch in Osterode am Harz wohnte, da las nur eine in der Familie: „Meine Mutter – und zwar wie verrückt.“ Sie selbst durfte nur zusehen, „bis auf die Nesthäkchen-Bände, die Jahr für Jahr unterm Weihnachtsbaum lagen. Bei uns gab es ja keine Kinder- und Jugendbibliothek.“ Das änderte sich erst mit dem Umzug 1952 nach Oberhausen.
"Es tat sich ein Paradies auf"
„Es tat sich ein Paradies auf“, erinnert sich Karin Niermann an ihren ersten Besuch in der Stadtbibliothek, damals noch in der Meuthen-Villa an der Grillostraße. „Damals kostete die Ausleihe fünf Pfennig pro Buch und ich durfte mir immer für zwanzig Pfennig etwas ausleihen. Ich musste mir mein Geld gut einteilen.“
Karin Niermann war infiziert. „Herrlich“ sei es gewesen zwischen all den Schmökern. Seitdem ist sie der Bibliothek treu geblieben, hat jeden Umzug mitgemacht und jeden Service gerne in Anspruch genommen. Die Fernleihe („Das klappt wunderbar“) und demnächst auch den E-Reader. Aus dem Wohnzimmer hat sie alle eigenen Bücher verbannt, nur ein Regal mit ausgeliehenen Bänden durfte bleiben. Und so gerne sie auch zu Hause in ihrem Lesesessel liest, so liebt sie es, in der Bücherei zu sein, deren neue Gestaltung ihr gut gefällt. Hier blättert Karin Niermann in Bildbänden. „Ich weiß nicht“, sagt sie, „was ich ohne die Bücherei machen sollte.“