Oberhausen. Wer in Ämtern allzu höflich auftritt, hat manchmal das Nachsehen. Dass Schweigen manchmal auch Zustimmung bedeuten kann, erfuhr nun ein Oberhausener. So wartete Alexander W. im Standesamt lange vergeblich auf ein „Herein“.

Poch-poch. „Herein!“ Die schwere Holztür quietscht auf, drinnen sitzen über unzählige Formularblätter gebeugte, herrisch dreinblickende Beamte im zwielichtig staubflirrenden Zimmer. So ähnlich könnte man sich die Amtsstube der „guten alten Zeit“ vorstellen. Doch derart preußisch geht’s in Oberhausen längst nicht mehr zu – im Gegenteil, wie WAZ-Leser Alexander W. kürzlich feststellen durfte. Auf sein Klopfen hin machte nämlich niemand auf. Und ein „Herein“ konnte der Oberhausener ebenfalls nicht vernehmen.

Deutliche Klopfzeichen

War es seiner höflichen Zurückhaltung oder einer falschen Vorsicht geschuldet? Alexander W. versuchte es jedenfalls vor kurzem frühmorgens im Standesamt an sage und schreibe sechs Türen, um einen Auszug aus dem Geburtsregister einzuholen. Und wähnte sich ebenso viele Male vor geschlossener Türe.

Dabei waren diese in Wahrheit nicht einmal versperrt und die Büros sogar bewohnt.

Doch davon ahnte W. zunächst nichts, denn auf die freundlichen, „deutlich zu vernehmenden Klopfzeichen“ – so schildert es W. – von der Welt außerhalb der Amtsstuben reagierte in den Zimmern niemand.

Bei Schweigen – eintreten

Gleichsam „ideen- wie auch fassungslos“, berichtet W. ob der zur besten Dienstzeit scheinbar menschenleeren Bürozimmer, wartete er geduldig auf dem Flur, bis schließlich doch eine Mitarbeiterin erschien. „Sie sagte mir – und sie schien es ernst zu meinen – dass ich genau dann, wenn ich gar kein ‘Herein!’ höre, aber eintreten könne.“

Bei Schweigen bitte eintreten? Darüber musste Alexander W. erst einmal eine Nacht schlafen und wundert sich heute immer noch über die nahezu Loriot'sche Umkehrung einer „in Mitteleuropa seit Jahrhunderten üblichen Höflichkeitsform. Dass man aber auf ein Klopfen, nicht nur kein ‘Herein!’ zu hören bekommt, sondern genau dies sogar als Voraussetzung dafür gilt, überhaupt eintreten zu dürfen“, findet der Oberhausener kurios.

Und doch: Die Strategie funktionierte schließlich tadellos. Einfach so betrat Alexander W. – nach kurzem Klopf-klopf – das Amtsbüro, „wo die Mitarbeiterin sich dann meines Anliegens annahm“.

Im Zweifel: Hereinspaziert

Was ist normale Höflichkeit und was falsche Zurückhaltung? „Üblich beim Amt ist“, antwortet Stadtsprecher Martin Berger, „wenn ich anklopfe, und dann eintrete ohne auf ein ‘Herein’ zu warten.“

In manchen Ämtern ist es anders auch kaum praktikabel, erläutert Berger: „Stellen Sie sich das mal auf dem Einwohnermeldeamt vor, dort geben sich die Menschen die Klinke in die Hand.“

Würde hier jemand auf ein freundliches ’Eintreten’ warten, zöge das die Arbeitszeiten wohl deutlich in die Länge. Und führte vermutlich zu einem hohen Verbrauch an Halsbonbons: Oft höre man im Büro wegen der schweren Türen das Klopfen kaum, meint der Stadtsprecher, und für ein hörbares ‘Herein’ müsste sich mancher Beamter gar heiser schreien.

Ob man das Klopfen überhaupt gehört habe, gibt er zu bedenken und rät daher im Zweifelsfall zum mutigen Eintritt.