Oberhausen.

Mit seiner Inszenierung „Dr. Frances Sprechstunde“ zeigte er, dass er zu Außergewöhnlichem fähig ist, mit seinem Außenprojekt im Bunker, der gegenüber dem Theater steht, wagt sich Regisseur Martin Kindervater an einen Stoff, der über das menschenmöglich Begreifbare hinausgeht: Er erkundet die Gedanken- und Gefühlswelt von Jürgen Bartsch, der in den 60er Jahren als mehrfacher äußerst brutaler Kindermörder im Ruhrgebiet sein Unwesen trieb.

Nicht die Augen verschließen

„Es geht uns darum, die Abgründe der menschlichen Psyche zu untersuchen“, sagt Kindervater. Weil das ausgerechnet an dem dunklen, etwas unheimlichen Ort Bunker geschehe, sei es „eine Riesen-Herausforderung, dort kein Gruselkabinett zu veranstalte.“

Warum ist ihm wichtig, dass sich Zuschauer mit Abartigem beschäftigen? Kindervater: „Weil Schreckliches eine Faszination ausübt und weil es es gibt. Es bringt nichts, die Augen davor zu verschließen, der Polizist, der Kinderpornos anschaut und der Pfarrer, der Jungen missbraucht sind Realität. Ich stehe zu dem Thema.“ Das gilt für das gesamte Produktionsteam: Bühnenbildnerin Anne Manß: „Es wird ein sehr intensiver Abend ohne klassische Bühne. Wir spielen nicht, dass Martin Müller Reisinger Bartsch sei, er wird nicht als Triebtäter vor uns stehen.“ Vielmehr wird er Bartsch in seiner Auseinandersetzung mit sich selbst seine Stimme leihen.

Sich mit dem Thema auseinandersetzen

„Es geht nicht darum, Bartsch zu verstehen, sondern darum, sich mit dem Thema auseinander zu setzen“, sagt Kindervater. „Wir machen das mit künstlerischen Mitteln.“ Geschehen wird das gewissermaßen im kleinen Kreis, denn die Bunker-Inszenierung lässt nur 30 Personen zu.

Höchst selten habe es einen Menschen gegeben, der wie Bartsch so extreme Taten beging und sich später in Briefen so intelligent reflektierte. „Beim Lesen ist man auf den ersten Blick baff. Es klingt fast wie eine Beichte. Doch ich bin davon überzeugt, dass er sich eine Strategie zurechtlegte. Es ist ja auch extrem eitel, sich so mit sich selbst zu beschäftigen.“

"Ein harter Cocktail"

Zwar sei es schon „ein harter Cocktail“, der das Leben dieses Kindermörders prägte: als Baby ungeliebt, als Adoptivsohn eines Metzger-Ehepaares extrem prüde und katholisch-konservativ erzogen und in ein Internat geschickt, wo er angeblich selbst missbraucht wurde. Dennoch dürfe man sich nicht dazu verleiten lassen, Bartschs Taten zu entschuldigen. „Vernunft gegen Trieb – da steckten zwei Charaktere in einer Person.“

Die Premiere von „Bartsch, Kindermörder, Selbstzeugnisse eines Serientäters“ findet am Sonntag, 16. Dezember, um 20 Uhr im Bunker Ecke Ebert- und Sedanstraße gegenüber dem Theater statt. Dafür gibt es noch einige wenige Restkarten

Weitere Vorstellungen sind am 10., 15.und 25.Januar sowie am 6.und 14. Februar 2013 jeweils um 20 Uhr.