Oberhausen.

Bauchtanz für die seelische Gesundheit – seit drei Jahren wissen die Teilnehmerinnen dieser Tanzgruppe des Psychosozialen Gesundheitszentrums (PGZ) in Sterkrade, dass das tatsächlich funktioniert. Gut gelaunt erzählen sie von ihren ersten „Gehversuchen“: „Die waren heftig, wir hatten Muskelkater an Stellen, wo wir gar nicht wussten, dass es da Muskeln gibt.“

Ihren ersten öffentlichen Auftritt haben sie auch schon hinter sich gebracht – mit Bravour. „Das war sehr aufregend“, erinnern sie sich, „wir hatten ganz schön Lampenfieber. Es erfordert schon Mut, sich auf eine Bühne zu stellen und vor Publikum zu tanzen.“ Das unterstreicht auch Thomas Brunsberg, Leiter des PGZ: „Das verdient alle Hochachtung. Es kostet schon so Überwindung, öffentlich aufzutreten. Mit einer psychischen Erkrankung ist es viel schwerer.“

Kostüme zum Teil von Hand genäht

Für Thomas Brunsberg aber ist eine solcher Auftritt auch ein Indiz dafür, dass sich etwas tut im Bereich der psychischen Erkrankungen: „Früher haben sich die Betroffenen versteckt. Heute gehen sie an die Öffentlichkeit. Die psychischen Erkrankungen werden heute mehr akzeptiert“, sagt Brunsberg.

Für die sechs aktiven Bauchtänzerinnen war der Applaus des Publikums eine wichtige Bestätigung: „Das hat uns viel Selbstbewusstsein gegeben.“ Und nicht nur die Choreografie haben sie gemeinsam mit ihrer Leiterin erarbeitet. Auch die Kostüme stammen aus eigener Herstellung. „Wir haben die Stoffe gekauft, die Kostüme nach Mustern selbst gestaltet und genäht. Teilweise sogar von Hand.“ Farbenfroh leuchten diese Kostüme und unterstreichen die Eleganz des orientalischen Tanzes. Eine Teilnehmerin schwärmt: „Ich liebe es zu tanzen. Auch zu Hause übe ich den Bauchtanz.“

Fähigkeiten entwickeln und fördern

Betreut wird die Gruppe von Sozialarbeiter Michael Böringschulte, geleitet wird sie von einer versierten Bauchtänzerin, die selbst als Ratsuchende das PGZ besucht. Das, so Brunsberg, sei bei allen Gruppen so: „Mit Ausnahme der Entspannungsgruppe, weil man da zu viel falsch machen kann, macht das ein Profi.“

Ein wesentliches Ziel der Angebote des PGZ sei es, „die Fähigkeiten der Menschen, die zu uns kommen, wieder zu entwickeln und zu fördern.“

Ein wesentlicher Meilenstein zur erfolgreichen Arbeit sei die seit 2011 bestehende Kooperation mit der evangelischen Kirche in Sterkrade. Gemeinsam betreiben sie das Kirchencafe, und für die Bauchtanz-Vorführung stellte die Kirche ihren Saal kostenfrei zur Verfügung.

20 Mitarbeiter

Nachdem das Zentrum 2003 wegen finanzieller Probleme vor der Auflösung stand, ist die Finanzierung heute gesichert, sagt Thomas Brunsberg erleichtert: „Die Finanzierung ist ein Mix aus Mitteln des Landschaftsverbandes Rheinland, der Stadt, unseres Fördervereins und Eigenleistungen der Teilnehmer.“

2003 stand PGZ-Leiter Brunsberg mit einer Verwaltungs-Teilzeitkraft allein, heute sind es rund 20 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Honorarkräfte.

Die Betroffenen sind froh, dass die Angebote sogar erweitert werden konnten: „Es ist wichtig, sich mit Menschen auszutauschen, die Ähnliches erleben.“ Im alltäglichen Umfeld stießen psychische Erkrankungen noch immer auf Unverständnis, sagen sie.

"Wir erarbeiten nun Neues"

Die Entwicklung der psychischen Erkrankungen sei besorgniserregend, schildert Thomas Brunsberg: „Die Betroffenen werden immer jünger. Früher waren die Teilnehmer um die 50 Jahre, heute sind es oft junge Erwachsene. Zu fast 90 Prozent melden sich Frauen bei uns, die diese Erkrankungen eher annehmen als Männer.“

Bei der Forschung nach Ursachen für psychische Erkrankungen würden nur langsam Fortschritte gemacht. Brunsberg: „Noch ist die Psyche des Menschen einmalig. Das macht die Ursachenforschung so schwierig.“

Für die Bauchtänzerinnen steht wieder Training ins Haus: „Wir erarbeiten nun Neues.“ Ob und wann sie wieder öffentlich auftreten werden, steht noch nicht fest: „Wir machen uns keinen Druck, das ist das Letzte, was wir brauchen.“